„Einmal noch die Heimat der Groß- und Urgroßeltern sehen" – das war der Wunsch der Mitglieder des Tanzensembles „Begeisterung" des „Russisch-Deutschen-Hauses" in Nowosibirsk, die nun für eine Woche im Landkreis Landshut zu Gast sind. Bei vielen Besuchen in Nowosibirsk waren die Gäste aus dem Landkreis Landshut immer wieder beeindruckt von der Gesangskunst der Russlanddeutschen, die stets einige Lieder – sowohl in russisch als auch in Deutsch im Repertoire hatten.
Und so reifte im Freundeskreis Landshut-Nowosibirsk die Idee, dieses Ensemble für eine Konzertreise in den Landkreis Landshut einzuladen. 12 Frauen und drei Männer sind nun seit Samstag Abend im Landkreis Landshut zu Gast und haben ein ausgefülltes Programm mit zahlreichen Besichtigungen und Auftritten. Den Auftakt machte die Gruppe am Montag Nachmittag in der Schlossklinik Rottenburg, wo Pflegedienstleiter Ewald Bock und Verwaltungsratsvorsitzende Dr. Marlis Flieser-Hartl die sangesfreudigen Senioren begrüßte. Zusammen mit den beiden Vorstandsmitgliedern Gabriele Becker und Ruth Müller wurde die Gruppe durch das Krankenhaus und die neuerbaute Reha-Einrichtung geführt, während sich im Kaisersaal bereits Patienten und Besucher als Zuhörer für das Konzert einfanden.
89 Jahre ist die älteste Sängerin (Foto) der Gruppe alt, die über 20 Jahre als Kranführerin in Sibirien auf Großbaustellen gearbeitet hat – doch sieht man über das Silbergrau in den Haaren der Ensemblemitglieder hinweg, hört man klare und junge Stimmen – die Musik scheint wohl ein Jungbrunnen zu sein, waren sich die Zuhörer im Kaisersaal einig. Und das Repertoire der Künstlerinnen und Künstler war beeindruckend – von religiösen Liedern wie „Vater unser" und „Gott segne Dich" bis hin zu klassischer Musik von Bach war die Bandbreite groß – sowohl die Solisten als auch die Duette beeindruckten die Besucher. Und mit Evergreens wie „Oh Du lieber Augustin" oder „Oh Susanna, wunderschöne Anna" fanden sich die Konzertbesucher auf einer Zeitreise wieder.
Russische Volkslieder, die von Liebe, der Heimat und der Sehnsucht nach dem Wiedersehen handelten, rundeten den Konzertnachmittag im Kaisersaal ab. Die Gäste erhielten bei dieser Gelegenheit auch einige Informationen über die Landkreispartnerschaft, die seit 1990 besteht und über die Geschichte der Russlanddeutschen, die fast 250 Jahre zurückreicht: Die deutsche Prinzessin Sophia Friederike Augusta von Anhalt-Zerbst heiratete 1745 im Alter von 16 Jahren den Enkel von Zar Peter dem Großen und nahm den russisch-orthodoxen Glauben an und wurde so Zarin Katharina II., die später den Beinamen „die Große" erhielt. Sie lud deutsche Siedler ein, sich in der fruchtbaren Wolgaregion niederzulassen und sicherte ihnen einen Sonderstatuts, wie beispielsweise das Recht auf Beibehaltung der Deutschen Sprache zu.
Sowohl Zar Alexander II als auch Stalin schränkten diese Rechte in den späteren Jahren massiv ein, die Ernte wurde unter Stalin konfisziert und die „wolgadeutsche Republik" wurde 1941 aufgelöst. Im Zweiten Weltkrieg wurde den Wolgadeutschen Kollaboration vorgeworfen und sie wurden nach Sibirien verbannt. Die deutsche Sprache lebte aber in vielen Familien über die alten Lieder und Bücher im Verborgenen weiter.