Motorradfahrer lieben ihn. Der Passo Rolle ist einer der ältesten Pässe in den Dolomiten. In rund 30 Kehren geht es hinauf auf knapp 2000 Meter. Jose Fuchs aus Altdorf war einer der vielen Motorradfahrer, die am Samstag, 27. Juli, den Pass befuhren. Fuchs war mit fünf Landshuter Freunden für einige Tage in der Region unterwegs. Am späten Nachmittag ging es von der Südseite hinauf in den Berg. - Tagsüber hatte es gut 35 Grad. Als sie den Fuß des Passo Rolle erreichten, brach ein Wärmegewitter mit Regen über die Dolomiten herein.
Jose Fuchs hatte vor einer Kehre gerade ein Auto überholt. In der Kurve kam er ins Schleudern und knallte mit der Maschine an die Leitplanke. Seine Ducati schlitterte an der Leitplanke entlang, während er abgeworfen wurde und gleich hinter der Planke zu stehen kam. Ein bisschen weiter und ihn hätte ein rund 300 Meter tiefer Abgrund empfangen. Der Ducati ist nicht viel passiert. Sie wird sich reparieren lassen und dank Schutzbrief in den kommenden Tagen nachhause gebracht. Er selbst hingegen merkte beim Blick auf sein Bein sofort, dass er nicht ganz so glimpflich davon kam. „Der Fuß schaute in die andere Richtung und ich sah einen Knochen", so Fuchs. Schienbein und Wadenbein sind offen durchgebrochen. Im Krankenhaus werden noch ein Hüftbruch und zwei ausgerenkte Finger diagnostiziert.
Jose Fuchs hatte Glück. Der Fahrer des überholten Autos war ein italienischer Arzt. Er übernahm sofort die Erstversorgung und informierte den Rettungsdienst. In nicht einmal 10 Minuten war ein Rettungswagen vor Ort. Der wollte ihn in das nächste Krankenhaus fahren. Der italienische Arzt intervenierte und bestand auf einen Hubschrauber, der ihn in das nächstgrößere Krankenhaus nach Trient fliegen sollte. In weniger als 15 Minuten hatte Jose Fuchs seinen Hubschrauber, wurde verladen und eine weitere Viertelstunde später war er im Krankenhaus.
Um 22 Uhr kam er in den Operationssaal. Sein rechtes Schien- und Wadenbein wurde mit vier Schraubenbolzen und einer äußeren Fixierung als Erstmaßnahme ruhig gestellt. Der Unterschenkel braucht diese „Ruhe", damit die stark gespannten Weichgewebe abschwellen können. Zur endgültigen Versorgung werden die Patienten dann heimatnah verlegt. Die in Italien angelegte äußere Konstruktion ist teuer, so dass sie nach der Entfernung wieder zurückgeschickt werden muss. In der Haupturlaubszeit werden auf diese Art und Weise oft bis zu drei schwerverletzte Patienten pro Woche ins Klinikum zur Operation verlegt. So wurde am gleichen Tag, als Jose Fuchs ins Klinikum kam, ein weiterer in Italien verunglückter Motorradfahrer aufgenommen.
„Am Beispiel von Jose Fuchs sieht man, dass die Versorgung Schwerverletzter mittlerweile zum Glück europaweit standardisiert ist", so Privatdozent Dr. Klaus Lerch, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. „Auch wir hätten für ein paar Tage eine äußere Stabilisierung vorgenommen, die Wunden über den Brüchen gereinigt und verschlossen und eine Antibiotikabehandlung begonnen", so PD Dr. Lerch weiter. Als endgültige Versorgung wird der Bruch des Schienbeines mit einem inneren Nagel stabilisiert.
Die Auslandskrankenversicherung von Jose Fuchs hat den Rücktransport nach Deutschland organisiert und finanziert. Am 31. Juli hat ihn das Grüne Kreuz, ein österreichischer Krankentransportdienst, um 9 Uhr in Trient abgeholt. Mit Blaulicht ging es nach Landshut, wo er um 13 Uhr im Klinikum ankam. „Beim Stau auf der A99 bei München gab es zum Blaulicht noch Sirene, wodurch wir die Rettungsgasse nutzen konnten", so Fuchs.
Im Klinikum Landshut hat das Team der Unfallchirurgen um Chefarzt Priv.-Doz. Dr. Klaus Lerch am Montag die Fixierung entfernt. In einer Operation ohne Komplikationen hat Jose Fuchs stattdessen einen 38 Zentimeter langen Stift eingesetzt bekommen, der über mehrere Verriegelungsbolzen das Schienbein fixiert. Länge und Achse des Knochens sind wiederhergestellt. Seinen Beckenbruch wird er weiter durch stilles Liegen auskurieren. „Wenn alles nach Plan läuft, kann er in sechs bis acht Wochen wieder auf dem Motorrad sitzen", so PD Dr. Klaus Lerch. Der Chefarzt ist selbst ein leidenschaftlicher Motorradfahrer und hat schon deshalb sehr viel Mitgefühl mit den verunfallten Patienten.
Im Traumazentrum am Klinikum Landshut werden Patienten mit Polytrauma behandelt, wobei nach Definition mindestens eine der Verletzungen lebensbedrohlich sein muss. Viele Mehrfachverletzte und Unfallopfer fallen nicht unter diese Definition.
Das Traumazentrum ist seit Oktober 2008 als regionales Traumazentrum zertifiziert und seit Oktober 2009 Teil des TraumaNetzwerk Ostbayern. Ziel des Netzwerkes ist es, die Versorgungsqualität aller Schwerverletzten rund um die Uhr und flächendeckend in der Region Ostbayern zu verbessern.
Kriterien für die Zertifizierung sind u.a. die 24-stündige Aufnahme und Versorgung von Schwerverletzten jeden Alters sowie die Vorhaltung bestimmter weiterer Fachdisziplinen neben der Unfallchirurgie wie Neurochirurgie, Intensivmedizin, Anästhesiologie, Allgemeinchirurgie oder Gefäßchirurgie. So müssen Fachärzte bestimmter Disziplinen 24 Stunden am Tag erreichbar sein. Das Klinikum Landshut erfüllt auch die Kriterien für die Zertifizierung als überregionales Traumazentrum. Allerdings ist im TraumaNetzwerk Ostbayern nur ein überregional zertifiziertes Traumazentrum vorgesehen und das ist in diesem Netzwerk die Uniklinik in Regensburg.
Die Leitung des Zentrums obliegt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie.
Im Bild oben: Jose Fuchs mit PD Dr. Klaus Lerch, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, kurz vor der Operation am Montag.