Was wäre wenn? Wenn an den Kernkraftwerke Isar I oder Isar II der größte anzunehmende Unfall eintritt? Wie verbreitet sich dann die radioaktive Strahlung, wie und in welchen Umkreis muss die Bevölkerung evakuiert werden? Das Bündnis für Atomausstieg (BüfA) lässt am Samstag 499 gelbe Luftballons von Niedereichbach in die Luft steigen. Ihr Flug soll die Verbreitung der Radioaktivität im Erstfall simulieren.
Warum 499 Luftballons? Diese Frage erklärt die Grüne Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger ganz pragmatisch. „Ab 500 Luftballons, brächte man rein rechtlich gesehen, ein Genehmigungsverfahren."
So werden es exakt 499 Luftballons sein, die Am Samstag, 16. November, Punkt 5 vor 12 von Niederaichbach aus, auf ihre Reise geschickt werden. Dazu läd das Bündnis für Automausstieg die Bevölkerung ein. Ab 11 Uhr werden die Ballons auf dem Parkplatz am Sportheim, gleich neben der Isarbrücke, aufgeblasen. Die gleiche Aktion findet an sechs weiteren AKW-Standorten in Deutschland statt. So in Lingen, Grohnde, Grafenreinfeld, Philippsburg und Neckarwestheim.
Alle Luftballons werden mit Antwortkarten bestückt. Die Finder der Ballons werden darauf aufgerufen, die Karte entweder zurück zu senden, oder den Fundort in eine interaktive Karte auf www.atomalarm.de einzutragen. Dadurch will man in einem praktischen Versuch mehr über die Verbreitung von Radioaktivität im Falle eines Ernstfalles lernen.
Bisher gehen die Katastrophenschutzpläne von „idealen" Voraussetzungen aus, sollte Radioaktivität frei gesetzt werden, beispielsweise von einer kreisförmigen Ausbreitung der kontaminierten Wolke und von ganz bestimmten Wetterlagen. Diese theoretischen Annahmen müssen in den Plänen zum Katastrophenschutz dringen korrigiert werden, appelliert Ingrid Korfmacher vom Bürgerforum gegen Atomkraftwerke. Bei der Innenministerkonferenz Anfang Dezember geht es um neue Katastrophenschutzpläne und dazu will man die Politiker wachrütteln.
Kathy Mühlebach- Sturm, Kreisgruppenvorsitzende Bund Naturschutz, kritisiert in einem Brief an den Innenminister, dass eine Evakuierungszone von zehn Kilometern unverantwortlich sei. Ingrid Korfmacher untermauert dies mit weiteren Details. Denn im Katastrophenschutzplan wird von einem langsamen Störfall, mit einer langsamen, 48 Stunden dauernden Freisetzung von Radioaktivität ausgegangen, sowie von einem Szenario, das keine dauerhafte Verstrahlung vorsieht. Der Energieversorger E.ON schreibt in seinem „Ratgeber für die Bevölkerung in der Umgebung der KKWs Isar" aus dem Jahr 2008: „Ein nach westlichen Standards gebautes AKW kann physikalisch nicht explodieren." Für Ingrid Korfmacher eine schier unglaubliche Aussage.
Es müsse ein Nachweis für die Evakuierung im Umkreis von 170 Kilometer um eine Atomanlage erbracht werden, so Kathy Mühlebach- Sturm. Und wenn dies nicht möglich ist, müssen die Kernkraftwerke sofort abgeschaltet werden. Denn der Schutz der Bevölkerung muss Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben.
„Die Erfahrungen aus Fukushima haben gezeigt, dass die Evakuierungen nicht ausreichend waren", so Christine Ackermann (ÖDP). Die Radioaktivität lässt sich eben nicht aufhalten, was sich an verseuchtem Grundwasser feststellen lässt. Im Tokio beispielsweise sollen Babys und Kleinkinder kein Leitungswasser trinken. Die Bevölkerung dort wird beschwichtigt. Bereits im März 2014 soll radioaktives Meerwasser die Amerikanische Küste erreichen. Auch in Deutschland, so erläutert Christine Ackermann weiter, sind die Auswirkungen von Tschernobyl all gegenwärtig. So im Ebersberger Forst im Osten Münchens, dessen Boden noch immer mit radioaktiven Stoffen stark angereichet ist. 30 Prozent der Radioaktivität, die wir in Deutschland aufnehmen, stammt aus Tschernobyl.
Hedwig Borgmann, auf der Grünen Liste zur Stadtratswahl auf Platz drei nominiert, zieht Parallelen zwischen Fukushima uns Isar I. Auch wenn Isar I vom Netz genommen wurde, ist die Radioaktivität im inneren des Meilers vorhanden. Bei beiden Reaktoren (Isar I und Fukushima) handelt es sich um Siedewasserreaktoren. 900 Brennstäbe lagern in Ohu in den Abklingbecken. Wann diese abtransportiert werden, weiß derzeit niemand, da es für den Transport keine Castor-Behälter gibt.
Damit die 499 Luftballons keinen Schaden in der Umwelt hinterlassen, wurde extra welche aus Naturlatex geordert und die Papierantwortkarten werden mit Baumwollfäden befestigt.