Stellplätze in Tiefgaragen und hohe Baukosten stehen für Prof. Dr. Hartmut Topp in einem direkten Zusammenhang. - Fotos (W. Götz)
Landshut – gw (24.01.2019) Landshut wächst. Mehr Einwohner bedeuten mehr Autos und mehr Autos benötigen mehr Stellplätze. Das regelt in Landshut die Stellplatzsatzung. Einfamilienhäuser benötigen zwei Plätze, in Mehrfamilienhäuser sind für eine Wohnung bis 40 m² ein Platz für 40 bis 130 m² 1,5 Plätze notwendig. Sogar gastronomische Billardtische werden darin geregelt: Die Verordnung schreibt pro Tisch zwei Stellplätze vor. Sind diese Zahlen noch zeitgemäß oder ist es an der Zeit neu zu denken? Eine Stadtratsdebatte.
Dazu referierte im Plenum Prof. Dr. Hartmut Topp, der an der Technischen Universität Kaiserslautern am Institut für Mobilität & Verkehr lehrt.Topp ging auf die Kosten für Stellplätze ein. In Parkhäusern liegen sie bei 15 bis 20.000 Euro in Tiefgaragen bei 25 bis 35.000 Euro.
Gerade Tiefgaragen sind für Hartmut Topp ein Kostentreiber. Bei einer kleinen Wohnung macht ein unterirdischer Stellplatz schnell mal bis zu 20 Prozent der Kosten aus. „Das ist zu viel für die Bewohner“, resümiert Topp. Insbesondere Tiefgaragen hält Helmut Topp für nicht gerade optimal. Sie haben eine Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren und sind nicht rückbaubar.
Einwohnerzahl und zugelassene Kraftfahrzeuge in Landshut, inklusive Motorräder und Lkw. - Grafik (W. Götz)
Daher schlägt er neue Denkmodelle für die Zukunft vor. Darin spielt die Zunahme von Fahrräder, des ÖPNV und Carsharing eine Rolle, die den Autoanteil in einer Stadt reduziert. Für einen Tiefgaragenplatz lässt sich viel Geld in Fahrräder und ÖPNV-Tickets investieren.
Parkplätze nicht in Beton gießen
Topp geht es nicht um „ohne Auto“ sondern um „weniger Auto“ in Wohngebieten, deren Straßenränder als Parkplätze dienen. Ein Stellplatz müsse auch nicht lokal direkt mit einer Wohnung verknüpft sein. Er könne auch ein paar 100 Meter entfernt in einer Quartiersgarage liegen. Diese können modular erstellt und je nach Bedarf erweitert oder zurückgebaut werden und sind wesentlich billiger zu erstellen. Das Ziel sollte sein, die Parkplätze vor der Haustür zu reduzieren.
Ein Anrecht auf einen Parkplatz vor der Haustüre gibt es nicht, so Dr. Maria Fick.
Dass durch die nachzuweisenden Stellplätze die Kosten im Wohnungsbau nach oben treiben, liegt für Bernd Friedrich (BfL) auf der Hand. Das kann sich bei 50 Wohnungen durchaus auf 1,5 Millionen Euro summieren. Dr. Maria Fick (LM) vertritt die Ansicht, dass niemand ein Anrecht auf einen Stellplatz vor der Haustüre hat. Sie blickt nach Moosburg, wo beim Bahnhof ein riesiges Parkhaus gebaut wurde, damit die Straßen nicht zugeparkt werden.
Dass Erfahrungen aus anderen Städten nicht zwingend auf Landshut übertragbar sind, meint Jutta Widmann (FW). Sie möchte, dass die Stellplätze im bzw. unter dem Haus liegen. Dass dadurch die Baukosten so stark steigen, glaubt sie nicht. Das liegt an anderen Faktoren und Auflagen, wie z. B. Der Wärmedämmung.
Landshut autofreier machen. Auch ein Ziel für die Grünen und Stefan Gruber.
Stefan Gruber (Grüne) gefällt die Idee, die Stellplatzordnung für bezahlbares Wohnen anzupassen und dezentrale Parkräume zu schaffen, an denen sich Hausbauer mit beteiligen und Dr. Thomas Keyßner (Grüne) erinnerte an die enormen Sanierungskosten von Tiefgaragen schon nach 20 Jahren, wegen des eingeschleppten Straßensalz.
Eine starre Stellplatzverordnung, wie sie in Landshut gilt, hält Hedwig Borgmann (Grüne) für nicht mehr zeitgemäß. Gerade bei Bürgerversammlungen kommt immer wieder die Kritik, dass alles zugeparkt ist. So warb sie für Mut, neues auszuprobieren.
Oberbürgermeister Alexander Putz zitiert die Statistik, nach der die Zulassungszahlen stark steigen.
Oberbürgermeister Alexander Putz, hält die Ideen für „Überlegenswert“. Allerdings, so seine Einschätzung, wird eine Reduzierung von Tiefgaragenplätzen in der Stellplatzsatzung zu mehr Autos auf der Straße führen. Denn die Zulassungszahlen in der Stadt steigen überproportional: „Das müssen wir berücksichtigen.“
Dass junge Leute in der Mobilität neu denken, bemerkt Prof. Dr. Thomas Kueffner (LM) in München und Landshut. „Wenn es andere Angebote zur Mobilität gibt, dann werden diese auch angenommen“. Kueffner, der selbst sein Auto abgeschafft hat, hält steigende Zulassungszahlen nicht gut für die Stadt und stellte die Frage, was mit dem Geld aus der Stellplatzablöse geschieht? Stadtkämmerer Rupert Aigner informierte, dass damit neuer Parkraum und neue Fahrradständer geschaffen werden.
Verzichtet seit geraumer Zeit aufs Auto: Prof. Dr. Thomas Kueffner
Mit kurzen Wegen zu den Parkplätzen die Wohnqualität zu steigern, hält Sigi Hagl (Grüne) für eine „großartige Idee“, um neue Viertel lebenswerter zu machen. Hartmut Topp fügte an: „Wenn solche Gebiete angeboten werden, ziehen die hin, die das wollen“. Für Tilmann von Kueppach (LM) öffnet sich so der Weg, „bei neuen Erschließungen pfiffiger zu denken“.
Solche Neuerungen und Änderungen benötigen einen ÖPNV, der dazu passt, merkte Dr. Thomas Haslinger (CSU) an. Denn: „Landshut ist eine Autofahrerstadt.“ „Realität ist, viele sind aufs pendeln angewiesen. Diese auf den ÖPNV zu bringen, ist schwierig.“
„Was ist eine Autofahrerstadt?“ Dazu hätte Norbert Hoffmann (FDP) gerne eine Definition. Wichtig für ihn ist, zur Kenntnis zu nehmen, dass Landshut rasant wächst und sich auf dem Weg zur Großstadt befindet. „Wichtig sei, in die Zukunft zu blicken, anstatt an Konzepten der Vergangenheit anzuknüpfen. Mit neuen Ideen für neue Quartiere.“
Dr. Thomas Keyßner rollte die Rechnung neu auf. Nicht jeder, der eine Wohnung kauft, benötigt den mit erworbenen Stellplatz So subventioniert der, der kein Auto hat, den der ein Auto hat. „Dass sich bei all diesen debattierten Gedanken einige quer stellen, kann Anja König (SPD) nicht verstehen. „Es gibt so viele gute Beispiele, an die wir uns anlehnen sollten und offen gegenüber neuen Themen sein.“
So entwickelt sich das Verhältnis "Kfz pro Einwohner" in den vergangenen zehn Jahren. - Grafik (W. Götz)
Für Robert Mader (FW) passt der Stellplatzschlüssel zu Einfamilienhäuser. Aber bei neuen Projekten, sollten wir neue Klauseln schaffen, gab er sich weitblickend.
Dass Landshut eine „Autofahrerstadt“ sei, kann Prof. Dr. Frank Palme bei einem Fahrradanteil von 18 Prozent nicht nachvollziehen. „Zusätzlich sind wir gerade dabei den ÖPNV umzubauen.“ Er will nicht einfach die Stellplätze wegnehmen, sondern Alternativen anbieten. „Es stimmt nicht, dass alle auf den ÖPNV umsteigen und junge Leute kein Auto mehr haben“, komentierte Bernd Friedrich selbstbewusst.
„Ein Auto mit Stellplatz bedeutet ein Stück Freiheit“, argumentierte Maximilian Götzer (CSU) und nannte die Reduzierung des Stellplatzes als Eigentum ideologisch. Gerd Steinberger (SPD) bezweifelt sogar, dass Wohnungen ohne Tiefgarage billiger werden, Denn der Bauherr wird dann versuchen, mehr zu verdienen.