Die Mitglieder des Bau- und des Umweltsenats stimmten mehrheitlich für weiterführende Planungen zur Bebauung der Ochsenau. - Foto: W. Götz
Landshut - gw (25.05.2019) Landschaftsökologin Dipl. Ing. Angelika Ruhland aus Freising hat das geplante Baugebiet in der Ochsenau näher unter die Lupe genommen. Dort, wo die Stadt auf 20 Hektar neue Baugebiete ausweisen will, fand sie seltene Fauna, Flora und Pilze, die auf der Roten Liste stehen. Daher rät sie, dort von Siedlungstätigkeit abzusehen. Das wäre jedoch ein herber Schlag für die Stadtkasse, da dieses Areal wertvoll vermarktet werden kann. Es folgte eine Debatte, bei der nur die CSU stumm blieb.
Nachdem die Bundeswehr vom damaligen Standortübungsplatz abzog, kam es zwischen dem damaligen OB Josef Deimer und dem Vorsitzenden des Bund Naturschutz, Paul Riederer zu einem Deal: Von den 300 Hektar wurden 280 Hektar Naturschutzgebiet und 20 Hektar wurden zu einer Bedarfsfläche für langfristige Siedlungsentwicklung. Für diese 20 Hektar möchte die Stadt nun – rund 20 Jahre später - einen Bebauungsplan aufstellen.
Im vergangenen gemeinsamen Umwelt- und Bausenat stellt Dipl. Ing. Angelika Ruhland ihr Gutachten nach dem Arten- und Biotopschutzprogramm vor. Von aktuell 201 erfassten Pflanzenarten sind:
- 21 nach dem Arten- und Biotopschutzprogramm stadtbedeutsam
- laut Rote Liste eine, der Erdbeerklee, stark gefährdet, neun Arten gefährdet und 16 in der Vorwarnstufe
- in Deutschland drei Arten gefährdet
- sechs Arten nach dem Bundesartenschutzverordnung geschützt
- nach der regionalen Roten Liste des Molassenhügellandes gelten drei Arten als stark gefährdet, zehn Arten als gefährdet und 26 Arten sind in der Vorwarnstufe.
Bei der Pilzkartierung sagt der Gutachter, dass die Ergebnisse einer Kartierung aus dem Jahr 2019 ausreichen, um die Schutzwürdigkeit des Gebietes überzeugt zu bejahen. 46 Pilzarten sind nachgewiesen, vier gehören zu den artenschutzrechtlich geschützten Saftlingsarten, neun sind in der Roten Liste aufgeführt, fünf als stark gefährdet eingestuft.
Unterm Strich kommt die Gutachterin zu dem Urteil: „Das Untersuchungsgebiet ist so schutzwürdig, dass auf eine Bebauung verzichtet werden sollte.“
Elke März-Granda (ÖDP) eröffnete die Aussprache im Senat. Die Ergebnisse des Gutachtens belegen für sie: „Eine Bebauung ist für mich nicht verantwortlich. Wir haben genügend Grundstücke in der Stadt, um für 21.000 Bürger zu bauen.“
Seitens der Stadt verwies Rechtsdirektor Andreas Hohn auf den damaligen Kompromiss, dass nicht die gesamte Ochsenau Naturschutzgebiet werden soll. Diesbezüglich hatte eine Einigung mit dem Bund Naturschutz stattgefunden.
Dass die vorgetragenen naturschutzfachlichen Ergebnisse, so im Detail noch nicht bekannt gewesen waren, sei richtig, so Oberbürgermeister Alexander Putz. Daher sollen im weiteren Verfahren sie naturschutzrechtlichen Belange berücksichtigt werden.
Bei diesem Ergebnis zeigte sich Gerd Steinberger (SPD) abermals verwundert, dass der Stadtrat für die Ansiedlung des Grünen Zentrums entschied. Für ihn zählt aber ein anderes wichtig Argument: „Wenn jetzt auf die Bebauung verzichtet wird, fügt man der Stadt einen großen finanziellen Schaden zu.“ Ihm wäre es lieber gewesen, schon in den vergangen 20 Jahren Arten umzusiedeln.
Baudirektor Johannes Doll kommentierte den Zusammenhang zwischen Gutachten und geplanter Bebauung: „Es ist nicht auszuschließen, dass es ein K.o.-Kriterium geben wird.“
Auch Stefan Gruber (Grüne) zitierte die Schlussfolgerung des Gutachtens, dass auf eine Bebauung verzichtet werden soll. „Wir haben andere Flächen in der Stadt zur Bebauung.“ Zudem sieht er „negative verkehrliche Situationen“ bei einer Besiedelung der Ochsenau. OB Putz hält eine Bebauung für sinnvoll, wenn die B 15 neu an der LA 14 angekommen ist und empfahl, das Bebauungsverfahren „weiterlaufen zu lassen“.
Ob es zwischen dem Deimer- und Riederer-Kompromiss ein Schriftstück gäbe, wollte Hans Graf (Freie Wähler) wissen, worauf Harald Hohn antwortete, dass es Schriftverkehr, Besprechungsnotizen aber keinen Vertrag gibt.
Was die Schutzwürdigkeit der Ochsenau anbelangt, ergeben sich für Hedwig Borgmann (Grüne) keine neuen Erkenntnisse. „Die Zeiten haben sich geändert und das heißt nicht, dass wir dort in Zeiten des Artenschutzes bauen müssen.“ Elke März-Granda hinterfragte, ob Landshut weiterhin so schnell wachsen müsse und empfahl: „Wir sollten andere Gebiete zuerst bebauen.“
„Wenn das Ding heute in die Akten verschoben wird, ist es erst einmal aus dem Sinn“, befürchtet Tilman von Kuepach (LM) und befürwortete: „Wir sollten uns an den Kompromiss von damals halten. Das Gebiet als Paradies dazustellen ist auch falsch.“ Letztendlich, so von Kuepach, könnte dort eine Kleinstadt entstehen, sogar autofrei und mit modernen ÖPNV. Und: „Es wäre ein irrsinniger Wertverlust für die Stadt.“
Dagegen war Anja König (SPD) die Ochsenau in die Landshuter Wohnbaugesellschaft mit aufzunehmen. Weiter argumentierte sie: „Wir wollen in der Stadt weitere Gewerbeansiedlungen vorantreiben und die Mitarbeiter brauchen bezahlbaren Wohnraum. Hier haben wir tolle Möglichkeiten.“
„Der Pakt von damals war, sowohl dem Wohnungsbau als auch dem Naturschutz Rechnung zu tragen“, erinnerte Bürgermeister Dr. Thomas Keyßner. Letztendlich geht es aber auch um eine Abwägung zwischen Mensch und Natur und hier sollte diesem einzigartiges ökologische Gebiet Rechnung getragen werden.
Gerd Steinberger hielt dagegen: „Den Zuzug zu beschränken, wird uns nicht gelingen und wenn anstatt in der Stadt auf dem Land gebaut wird, wird das noch höhere Öko-Probleme bringen.“ OB Alexander Putz unterstrich dies: „Wachstum zu begrenzen, ist ein Wunschdenken, das zahlen die Bürger letztendlich mit der Miete und das halte ich nicht für vertretbar.“
„Wie berechne ich frische Luft und Naturkapital?“, Elke März-Granda schätzt auf jeden Fall die Wertigkeit der Natur höher ein, als vor 20 Jahren. „Wir brauchen die Natur.“ Seitens der Jungen Liste verwies Karina Habereder auf das Wunschkonzert des Stadtrats nach Schulen, Theater, Eisstadion, Hallenbad und mehr. Das alles muss irgendwie finanziert werden, sagt sie mit Blick auf die Erlöse aus den Ochsenau-Grundstücken. „Wir können nicht auf halber Strecke alles abbrechen und erst wenn es K.o.-Kriterien gibt, dann aufhören.“
Bei der Abstimmung hielt sich die CSU nicht mehr zurück. Mit breiter Mehrheit wurde der Vorschlag der Verwaltung angenommen die baurechtlichen Verfahren für die Ochsenau aufrecht zu erhalten.