Die sieben OB-Kandidaten flankiert von den Moderatoren Karl Sperk (links) und Michael Stolzenberg. - Fotos: W. Götz
Landshut – gw (07.02.2020) Landshut im Jahr 2026, also dann, wenn die Amtszeit des jetzt neu zu wählenden Oberbürgermeisters und des Stadtrats zu Ende geht. Diese Frage erörterten Architekt Karl Sperk und Redakteur Michael Stolzenberg zusammen mit den sieben OB-Kandidaten bei einer Podiumsdiskussion gestern im Salzstadel. Das Interesse war groß, die Antworten meinungsbildend und es wurden durchaus unterschiedliche Visionen der Kandidaten polarisiert. Mit und ohne Auto. Eine ausführliche Zusammenfassung:
Schon 15 Minuten vor Veranstaltungsbeginn waren die Stühle im Salzstadel fast restlos belegt und das weiter hereinströmende Publikum gab sich mit Stehplätzen zufrieden. Das zeigt, die Thematik "Bauen, Leben und Wohnen in Landshut" stößt auf großes Interesse, der veranstaltende Verein Architektur und Kunst e.V. hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Es geht um die Zukunft der Stadt.
Vereinsvorsitzende Barbara Anetsberger, sprach in ihrer Begrüßung von großen Investitionen der Stadt in Entwicklung und Wachstum. Moderator Karl Sperk leitete damit in medias res über und eröffnete die Fragerunde mit der Attraktivität der Stadt und ihren Plätzen, die da und dort noch im Dornröschenschlaf stecken.
Dornröschenschlaf der Landshuter Plätze
Dr. Thomas Haslinger (CSU) musste sich zum Regierungsplatz mit seinen 45 Parkplätzen äußern und stellte eingangs klar, dass Landshut wegen des hohen Verkehrsaufkommens eine Autostadt sei. Doch der Regierungsplatz kommt für ihn wegen der vielen Parkplätze nicht gut zur Geltung, aber dies zu ändern steht nicht in der obersten Prioritätenliste. Doch auf dem Platz mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen, geht aus finanziellen Gründen nicht in naher Zukunft.
Ohne Auto geht es in der Stadt nicht: Dr. Thomas Haslinger
Für Patricia Steinberger (SPD) hat der Ländtorplatz „Luft nach oben“. Für sie nimmt der Ländtorplatz als Eingangsort in die Stadt eine besondere Bedeutung ein. Er sollte ganzjährig besser für Veranstaltungen oder Cafes genutzt werden. Zusätzliche Bäume wären schön und gut, aber nicht für 10.000 Euro. Kanäle und Leitungen im Untergrund machen Pflanzungen schwierig und teuer.
Am Dreifaltigkeitsplatz passt das Denkmal für Ludwig den Reichen, wie die Fast aufs Auge, so Dr. Stefan Müller-Kroehling (ÖDP). Es passt nicht zum ehemaligen Judenghetto. Daher würde er für das Denkmal gerne einen passenderen Platz in der Stadt suchen. Auf jeden Fall wünscht er sich einen autofreien Dreifaltigkeitsplatz mit mehr Grün und möchte den Zugang zum Burghang erhalten, anstatt dort eine Garagenausfahrt entstehen zu lassen.
Dreifaltigkeits- und Postplatz bilden den Anfang und das Ende der Stadt und Tilman von Kuepach (LM) möchte gerne einen Nahversorger in die alte Post bringen und den Platz stärker mit der Isar verbinden. So soll der Postplatz als Verbindung zwischen der Altstadt und dem CCL dienen. Das stärkt für ihn den Einzelhandel in der Stadt.
Zuerst Verkehre neu regeln, dann Verkehre reduzieren: Stefan Hemmann
Ursprünglich sollte der John-F.-Kennedy-Platz als Verbindung zwischen Altstadt und Bahnhof als runder Platz gestaltet werden. Stefan Hemmann (Die Linke/mut) würde dort gerne den Verkehr zurückdrängen. Derzeit besitzt der Platz keine Aufenthaltsqualität. Doch dazu muss der ÖPNV ausgebaut und weitere Straßenverkehre neu geregelt werden. Da gibt es keine schnelle Lösung.
Nicht nur der Bahnhofsplatz, sondern viele weitere Plätze tristen in Landshut ein gruseliges Dasein, bemängelte Sigi Hagl (Grüne). Aber der Bahnhofsplatz muss dringend neu gestaltet werden, mit einem Busbahnhof, mehr Bepflanzung und mehr Entsiegelung.
In der Altstadt, so Alexander Putz (FDP), müsse man aufpassen, dass der Einzelhandel nicht durch noch mehr Gastronomie ersetzt wird. Hier muss die Wirtschaftsförderung Akquise für einen Nahversorger betreiben. Auch das neue, barrierefreie Pflaster in der Altstadt unterstützt Putz: „Das sind wir unseren Bürgern schuldig.“
Die Neustadt: Der Parkplatz für die Altstadt
Alexander Putz glaubt nicht, „dass wir die Neustadt in absehbarer Zeit Parkplatzfrei bekommen“, denn auch Einzelhändler und Dienstleister benötigen Kurzzeitparkplätze. Für ihn kann das möglich werden, wenn der Parkplatz der Rentenversicherung besser genutzt wird. Für Sigi Hagl war die Umgestaltung der Neustadt ein Schritt in die richtige Richtung, sie autofrei zu bekommen, wäre ein großer Gewinn. Beispiele aus anderen Städten zeigen für sie, dass davon der Handel profitieren kann. Auch wünscht sie sich eine Belebung rund um die Martinsschule.
Die Kombination aus Veranstaltungen und Alltagsleben gelingt sehr gut, so Dr. Thomas Haslinger, für den der Parkraum in der Neustadt schon wichtig ist. Um das zu ändern, müssen zuerst anderswo Parkplätze geschaffen werden.
Das Balsgässchen vor Verkehr schützen: Patricia Steinberger
Patricia Steinberger möchte die Parkplätze lieber den Anwohnern zur Verfügung stellen und die Stadtteile mit kurz getakteten Bussen ans Zentrum anbinden und eine Belebung rund um die Polizei und die Martinsschule könnte den Durchgangsverkehr zum Balsgässchen reduzieren. Für Tilman von Kuepach zeigt der Wochenmarkt, dass es auch ohne Parkplätze in der unteren Neustadt funktioniert. Auch sei die Ursulinenenge „kein Spaß für Autofahrer“. Daher Autofrei oder Einbahnstraße, so sein Credo.
„Die Stadt hat Weltkulturerbequalität“. Daher möchte Dr. Stefan Müller-Kroehling eine bessere Aufenthaltsqualität mit weniger Lärm und Abgasen ohne Autos. Dafür plädiert er für 5-Minuten-Busse zur Grieserwiese und brachte die Wiederbelebung der Landshuter Trambahn aufs Tablett. Auch Stefan Hemmann möchte dort weniger Parkplätze. Die gibt es auf dem Messegelände zu Hauf. Ein Pendelbus erfüllt den Rest.
Wie geht es mit dem Wachstum der Stadt weiter?
Dr. Stefan Müller-Kroehling will das Wachstum drosseln. „Das ist eine falsche Entwicklung, die der Stadt viel Geld kostet. Das Geld fehlt dann woanders.“ Hier sieht er Steuerungsmöglichkeiten in der Baulandausweisung und es benötigt geeignete Pläne dazu, beispielsweise eine Gestaltungssatzung. „Planlos, ziellos, gestaltungslos“ nannte Sigi Hagl die derzeitige Entwicklung und wünscht einen Stadtentwicklungsplan als Leitidee. Obendrein fehlt es ihr an Konzepten zum Klimaschutz. „Schnell und Wie“ sind zwei verschiedene Fragen. Auch Dr. Thomas Haslinger hält die derzeitige Wachstum-Geschwindigkeit als zu hoch. Unterm Strich muss es auch mehr Nachverdichtung geben.
„Wir können das nicht kontrollieren“, so Patricia Steinberger, „sonst müssten wir eine Mauer um Landshut bauen.“ Aber der Zuzug bringt auch Einkommenssteuer und Kaufkraft nach Landshut. Um mehr Platz für mehr Bürger zu schaffen, müsse man auch vom Bau von Einfamilienhäusern wegkommen. „Man wird das Wachstum nicht verhindern können“, ist sich Stefan Hemmann sicher. Doch es gilt auch neben dem Wohnen auch Arbeit zu schaffen.
Die Stadt besser in die Zukunft planen: Tilman von Kuepach
„Wir müssen das Stadtplanungsamt wieder reaktivieren“, forderte Tilman von Kuepach und Wohnanlagen verhindern die nicht reinpassen. Die meisten der 1.000 Zuzügler jährlich kommen aus Osteuropa. Somit verfügt Landshut eine jetzt schon sehr hohe Ausländerquote von 18,2 Prozent. Und Kuepach sieht noch eine weitere Dissonanz: In Landshut kostet der Quadratmeter Wohnfläche 11 Euro in München 20 Euro. Das macht es attraktiv in Landshut zu siedeln und nach München zu pendeln.
Alexander Putz nannte das derzeitige Wachstum „grenzwertig“. Statistiken sagen bis 2036 bis zu 85.000 Einwohner voraus. Daher benötigt Landshut auch weitere Arbeitsplätze. Auch die Ochsenau sollte besser erst bebaut werden, wenn die B15 neu an der LA14 angekommen ist. Wachstum steht nicht gleich mit Arbeitsplätzen. Die Statistik sagt für Dr. Stefan Müller Kroehling sogar das Gegenteil, denn die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze ging 2019 um 692 in Landshut zurück.
Mehr Einwohner benötigen auch mehr Arbeitsplätze: Alexander Putz
Trotz des Zuzugs darf Wohnen kein Luxus sein. Für Sigi Hagl zählt es zu den Aufgaben der Stadt bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Dr. Thomas Haslinger sieht dabei ein Problem in den steigenden Baukosten und plädiert für ein Einheimischenmodell. Wenn, wie beim Hitachi-Gelände geplant, Gewerbegrund zu Baugrund wird steigt der Quadratmeterpreis von 160 Euro auf 600 Euro, rechnete Tilman von Kuepach vor. Daher soll die Stadt der große Player auf dem Grundstückmarkt sein und wie am Hitachi-Beispiel Gewinne mit abschöpfen.
Ochsenau: Wohnraum, Lebensraum, Naturraum
Die bisherige „blanke Wiese“ Ochsenau zu bebauen, sieht Tilman von Kuepach als problematisch an. Keinesfalls dürfe sich „ein Haus plus zwei Stellplätze“ durchsetzen. Vielmehr sollte autofrei geplant werden mit Wohnen und Arbeiten in der gleichen Fläche.
Dr. Thomas Haslinger favorisiert lieber eine Mischbebauung und eine Umsetzung des Einheimischenmodells, aber autofrei kann er sich die Bebauung nicht vorstellen. Denn in 20 bis 30 Jahren werden wir noch nicht auf den Individualverkehr verzichten können.“ Gegenüber Tilman von Kuepach kommentierte er seine These mit einem Zitat von Altbundeskanzler Helmut Schmidt: „Wer Visionen hat soll zum Arzt gehen“, was im Publikum durchaus Missfallen, Buhrufe, erntete.
Darauf konterte Sigi Hagl: „Haslinger hat mich gerade in letzte Jahrhundert zurück versetzt.“ Sie will Stadtpolitik nach vorne denken und die Bewohner in Planungen mit einbeziehen. Das hat zum Beispiel mit dem Französischen Viertel in Tübingen schon bestens geklappt. Aber zuerst benötigt es noch die restlichen Gutachten über die Naturverträglichkeit einer Ochsenau-Bebauung. Patricia Steinberger spricht sich ganz klar für eine Bebauung der Ochsenau aus. Das Auto sollte dort durchaus reduziert und der ÖPNV dorthin ausgebaut werden.
Finger weg von der Ochsenau: Dr. Stefan Müller-Kroehling
Für Dr. Stefan Müller-Kroehling verstößt die Bebauung der Ochsenau ganz klar gegen drei Gesetze und gegen ein vorliegendes Gutachten, das die Ochsenau als geschützten Naturraum einstuft. „Eine Bebauung auf Magerrasen kann nicht ökologisch sein.“ Rundherum stehen rund 24 Hektar Ackerflächen zu Verfügung, die sich besser für neue Wohnungen anbieten. Stefan Hemmann möchte in Sachen Ochsenau lieber visionär bleiben: Energieautark und nachhaltig. Mit Nahversorgern vor Ort und einem Schrebergartenumfeld.
Von den gesamt 300 Hektar stehen bereits 280 Hektar unter Naturschutz, so Alexander Putz. 14 Hektar sollen bebaut werden und die Stadt benötigt die Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf, ließ Putz wissen. Zehn Hektar davon gehören der Heilig Geist Stiftung und die benötigt die Einnahmen zur Sanierung zur Sanierung der Alten- und Pflegeheime. Er warnte auch, keine Einfamilienhäuser zuzulassen. Dann werden Leute ins Umland abwandern.
Wie dicht darf Nachverdichtung sein?
Nachverdichtung hat für Dr. Stefan Müller-Kroehling prinzipiell Vorrang gegenüber Neubauten an der Peripherie. Aber es darf nicht einfach alles vollgestopft werden, wenn die Infrastruktur nicht mitwächst. Daher benötigt es ein integriertes Stadtentwicklungskonzept, das den Bürger mit einbezieht. Auch Dr. Thomas Haslinger hält Nachverdichtung für richtig, auch die Bürger darin mitzunehmen. Allerdings hält er Bürgerentscheide dazu für falsch, denn die Politik muss entscheiden.
Sigi Hagl möchte die Bürgerbeteiligung noch weiter erhöhen und bei der Nachverdichtung um die Art und Weise. Klimaschutz muss von Anfang an mitgedacht werden. Als Negativbeispiel nannte sie die Liebenau. Dort wurden Klima- und Naturpositionen über den Haufen geworfen.
Ein gutes Klima gehört zur Stadt: Sigi Hagl
Was die Nachverdichtungen in Achdorf anbelangt, verwies Alexander Putz auf das entsprechende Verkehrsgutachten mit dem Ergebnis, dass die Straßen den zusätzlichen Verkehr gut verkraften können. Für mehr Grün wurden dort die Grundrisse bereits verkleinert, zu Gunsten eines Stockwerks mehr nach oben. Für Tilman von Kuepach stellt Nachverdichtung eine Frage der Stadtplanung dar. „Hier müssen wir in Kategorien von 20 bis 30 Jahren denken und nicht immer irgendwelche Löcher stopfen.“
Für Stefan Hemmann birgt Nachverdichtung die Chance auf Verbesserung in der Wohnqualität, beispielsweise wenn sich dadurch neue Nahversorger ansiedeln. Er sieht ein Problem darin, dass ältere Bürger in viel zu großen Wohnungen leben, aber keine bezahlbaren kleinere Wohnungen finden.
Wer würde mit wem am liebsten können?
Zu Abschluss gab es an die sieben Oberbürgermeister in spe die B-Frage: Wer wäre ihr Lieblingsbürgermeister an ihrer Seite?
Stefan Hemman wünscht sich Patricia Steinberger: Wir sind sozialpolitisch auf gleicher Schiene.
Tilman von Kuepach schwankt hierbei zwischen Sigi Hagl und Dr. Stefan Müller-Kroehling.
Patricia Steinberger hätte Stefan Hemman an ihrer Seite, um das soziale in Landshut zu erhalten.
Dr. Stefan Müller-Kroeling wählt dazu Tilman von Kuepach: Ein Mann mit Erfahrung, Bildung und Humor
Sigi Hagls Favorit heißt Tilman von Kuepach, da die Landshuter Mitte zukunftsorientiert nach vorne denkt.
Dr. Thomas Haslingers Partner wäre Alexander Putz, da er aber nicht für den Stadtrat kandidiert, möchte er sich für Dr. Stefan Müller-Kroehling entscheiden.
Alexander Putz kann sich jeden der sechs Mitbewerber als Partner vorstellen, sieht aber die größten Übereinstimmungen mit Dr. Thomas Haslinger.