Der Demonstrationszug führte von der Alten Kaserne in die Altstadt.
Landshut - pm (21.06.2022) Am Samstag demonstrierten in Landshut Geflüchtete und Unterstützer*innen zusammen gegen Abschiebungen nach Sierra Leone und in andere unsichere Herkunftsländer. Nach einer Auftaktkundgebung um 12 Uhr vor der Alten Kaserne machte sich ein Demozug über die Niedermayerstraße auf den Weg zur Altstadt.m 15 Uhr gab es eine Abschlusskundgebung vor der Martinskirche.
Gefordert wurden sichere Fluchtwege nach Deutschland, ein Bleiberecht für Geflüchtete und die Möglichkeit, sich selbst ein Leben in Deutschland aufbauen zu können.
Auf der ganzen Welt fliehen Menschen vor Krieg, Hunger, Repressionen und Verfolgung. Sie sind dabei gezwungen, gefährliche Wege auf sich zunehmen und ihr Leben zu riskieren. Erst letzten Monat verstarb eine Jugendliche am Güterbahnhof München-Trudering auf ihrem Fluchtweg. Zusammen mit einigen Anderen auf der Flucht kam sie mit einem Güterzug nach Deutschland. Nach dem Absprung von dem Waggon erlitten einige von ihnen einen schweren Stromschlag. Darunter auch Melike Akbas, die ins künstliche Koma versetzt werden musste und nicht wieder aufwachte. Die Gruppe floh aus der Türkei. Als Kurd*innen werden sie von der Regierungspartei AKP verfolgt und unterdrückt. Die Sprache und Kultur sind dort verboten. Politiker*innen und Journalist*innen, die sich für kurdische Menschen einsetzen, werden verhaftet und mundtot gemacht. Melike Akbas wollte an einen Ort, an dem sie sicher sein und studieren konnte. Freiwillig hätte sie diesen Weg nicht gewählt, doch etwas anderes blieb ihr nicht übrig.
Dieses Beispiel wurde während einer Rede aufgeführt. Die Forderung der Protestierenden ist es, sichere Fluchtwege zu schaffen. „Menschen die vor Elend und Tod
fliehen, sollten nicht Angst dabei haben müssen, ihr Leben zu verlieren“ , hieß es in der Rede der Seebrücke Landshut.
Neben der Seebrücke Landshut sprachen auch MdL Rosi Steinberger, ein Spieler des FC Sierra Leone, eine Jugendliche aus der Unterkunft am Kaserneneck und eine geflohene Kurdin.
Aus den Reden gingen weitere Forderungen nach uneingeschränkten Zugängen zum Arbeits- oder Ausbildungsmarkt, aber auch einen Stopp der unnötig bürokratischen und dadurch oft erniedrigen Verfahren der Identitätsfeststellung oder der Genehmigung von Sozialleistungen hervor. „Am guten Beispiel der Geflohenen aus der Ukraine sehen wir, dass dieser Weg möglich ist“, heißt es in einem Redebeitrag. „Wieso wird ein Unterschied aufgrund des Herkunftslandes gemacht?“.
Die Menschen aus dem FC Sierra Leone aus Landshut sind teilweise schon über sechs Jahre in Deutschland und kämpfen darum, arbeiten zu dürfen. In einem Fall war einer Person erlaubt, eine Ausbildung zur Pflegekraft zu machen, aber eine Arbeitserlaubnis nach der Ausbildung wurde trotzdem nicht erteilt. Und das, obwohl akuter Mangel in der Pflege herrscht.
Doch die Forderung um den selbstständigen Lebensunterhalt rückt in den Hintergrund durch die immer präsenter werdende Abschiebeandrohung und dadurch folgende Kürzungen der Sozialleistungen. Die Bundesregierung, aber auch die bayerische Landesregierung, stufen die Situation in Sierra Leone als stabil ein. Während Sierra Leone zu einem der ärmsten Ländern der Welt zählt, eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten Afrikas hat und laut UNICEF 86 Prozent der Frauen und Mädchen genitalverstümmelt werden.
„Während der Vorbereitungen“, erzählt eine der Organisatorinnen, „haben wir auch Oberbürgermeister Alexander Putz eingeladen. Dieser sagte ab, was sein gutes Recht ist. Er stempelte jedoch die Anliegen der Demonstration, wie ein Bleiberecht für alle, als verantwortungslose Gesinnungsethik und naiv ab “. Diese Aussage sorgte für viel Unverständnis.
„Verantwortungslos ist doch eher der aktuelle Umgang mit Menschen an den europäischen Außengrenzen oder die Behandlung von Geflohenen hier in Deutschland. So zum Beispiel auch die Tatsache, trotz Fachkräftemangel Menschen keine Arbeitserlaubnis zu geben. Und naiv scheint uns eher zu glauben, dass sich die Probleme damit lösen lassen, Menschen in Ungewissheit zu lassen und sie schlussendlich einfach abzuschieben.“ Klar ist für die Seebrücke Landshut und den Sierra Leone Nationals Union e. V., dass die Proteste weitergehen müssen, trotz Widerstand aus der Lokalpolitik. Jeden Monat treffen sie sich, um über einen gemeinsamen Protest zu sprechen und laden dazu alle Interessierten ein. Eine erneute Demo in den nächsten Monaten ist fest geplant. Wieder unter dem Motto „Stop Deportation – Allow Integration“, kündigten die zwei Initiativen an.