Schon nach 36 Minuten war das Halbfinale so gut wie gelaufen. Der erst 21-jährige Mario Balotelli schoß Italien in Warschau beim Halbfinale mit zwei Toren in der 20. Minute (Kopfball) und 36. Minute (Volleyknaller) in Rückstand. Das Team von Trainer Jogi Löw fand danach keine Mittel und Wege, das Spiel zu drehen. Die Italiener hatten sogar glasklare Chancen für ein 3. und 4. Tor. Viele Beobachter sahen vor allem drei Spieler, die unter ihren Möglichkeiten spielten: Allen voran Sebastian Schweinsteiger, Lukas Podolski und Mario Gomez. Der dreifache Torschütze der ersten beiden Spiele wurde jedoch kaum ins Spiel gebracht. Seine Mitspieler (Kros, Poldi, Lahm, Özil) suchten eigensinnig oder eifersüchtig zumeist selbst den Torabschluß.
Die Einwechslungen zur Halbzeit (Klose, Reus) brachten auch keine Wende.
Verloren hat das Halbfinale in erster Linie die total verunsicherte Abwehr. Der zuvor als Weltklassemann hochgejubelte Mats Hummels ließ sich vor dem ersten Tor regelrecht austanzen. Nein, jetzt kehrt wieder Normalität ein. Verloren hat sicher auch Trainer Jogi Löw das Duell gegen seinen Gegenspieler Prandelli, der innerhalb von zwei Jahren eine Squadra Azzura geformt hat, die jetzt für das Endpiel am Sonntag gegen Titelverteildiger Spanien als Favorit gilt. Deutschland wurde zuletzt 1996 Europameister.
Auch in Landshut feierten die italienischen Fans den Sieg ihrer Mannschaft übrall lautstark. Autos fuhren hupend durch die Stadt. Die Italienische Fahne war überall zu sehen. Leuchtfeuer wurden gezündet. Die Altstadt mit den zahlreichen italienischen Cafes und Restaurants war fest in der Hand der Halbfinalsieger. Es war teilweise wie an Silvester. Eines ist jedoch klar: Es war nur ein Fußballspiel. Das Leben geht weiter. Jogi Löw wird wohl sicherlich seinen gut bezahlten Job nicht aufgeben müssen. Es handelt sich um extrem gut besoldete Fußballcracks und Funktionäre. Die Kanzlerin muß jetzt nicht nach Kiew zum Endspiel fahren.
Äußerst beeindruckend auch, wie der zweifache Torschütze nach dem 2. Tor unweit von Torhüter Manuel Neuer stehen blieb, sich das Trikot vom Leib riß und auf seine jubeldnden Mitspieler wartete. Sein Hahnenkamm schwoll an. Er hat das Spiel mit zwei Traumtoren allein entschieden. Mario Balotelli wurde in Ghana geboren, ist in Italien bei einer Pflegemutter aufgewachsen. Ein Exzentriker. Derzeit spielt er bei Manchester in England. Sein Marktwert hat sich gestern Abend verdreifacht. Er hat das wirtschaftlich kriselnde Italien stolz gemacht und zum Favoriten für den Titel geschossen./hs