Das Telefonbuch von Belo Horizonte dürfte dem gemeinen niederbayerischen Volleyball-Fan eher unbekannt sein. Womöglich ahnt er, dass es viele Seiten haben dürfte, ist doch Belo Horizonte mit rund 2,5 Millionen Einwohnern die sechstgrößte Stadt Brasiliens. Was er diesem Telefonbuch ursächlich zu verdanken hat, kann der Fan aber kaum wissen: den Anfang der Volleyball-Karriere von Cristina Alves Oliveira Ferreira, die gerade im Alter von 31 Jahren in ihre zweite Saison bei den Roten Raben Vilsbiburg geht. Danach sah es Mitte der 90er Jahre noch nicht aus, als die junge Cristina zum Telefonbuch griff. Sie hatte erst mal nur ein Ziel im Auge: die Sportart, an der sie Spaß hatte und für die sie ziemlich talentiert zu sein schien, häufiger zu spielen und besser zu lernen.
Also suchte der Teenager im Telefonbuch nach Volleyballclubs in der Stadt, schrieb sich die Nummern raus, rief an und versuchte, einen Termin zu bekommen, um sich vorzustellen bzw. vorzuspielen.
Das klappte nicht beim ersten Mal. Der Olimpico Club in Belo Horizonte nahm Cristina dann aber auf, allerdings war der Weg von zu Hause in die Volleyballhalle nicht der kürzeste. 90 Minuten dauerte eine Fahrt. Im Klartext: „Ich bin jedes Mal drei Stunden Bus gefahren für zwei Stunden Training", erinnert sich Cristina.
Aufwand und Strapazen wurden kaum geringer, als sie mit 16 zu Minas wechselte, dem anderen örtlichen Verein. Zu jener Zeit versuchte sie Schule, Job und Volleyball unter einen Hut zu bringen, was folgenden Tagesrhythmus hervorrief: vormittags ab 7 Uhr Unterricht, nachmittags ab 14 Uhr vier Stunden Büro, abends drei Stunden Training.
Keine Frage, Cristina hat den Volleyballsport immer schon sehr geliebt. Und irgendwann gab es dann die Chance, damit Geld zu verdienen. 2003 war das und die Mittelblockerin 21 Jahre alt, als ein Angebot aus Bellinzona kam, wo eine Bekannte von ihr spielte. „Ich wollte höchstens ein Jahr bleiben", erzählt Cristina. „Geblieben bin ich drei."
Von der Schweiz ging sie nach Spanien. Murcia, Las Palmas, Teneriffa und Burgos hießen dort ihre Stationen. Auf der iberischen Halbinsel lernte Cristina ihren Mann kennen, einen Basketball-Coach, der mittlerweile im Kosovo arbeitet. Und sie traf auf Renata Cristina de Jesus Benedito, die 2011 von Teneriffa nach Vilsbiburg wechselte. Der Kontakt zwischen beiden riss nicht ab, und so folgte Cristina Alves Oliveira Ferreira ihrer brasilianischen Freundin mit einem Jahr Verspätung nach
Niederbayern.
Dass in diesem Sommer Renata die Roten Raben schon wieder verlassen hat, ist für Cristina kein Problem: „Ich fühle mich sehr wohl hier." Ihr Deutsch ist schon bemerkenswert gut, und wenn ihr etwas leichtes Unbehagen bereitet, dann ist es höchstens der Winter in unseren Breitengraden.
Heuer dürfte aber es Cristina im Dezember sogar fern der Heimat warm ums Herz werden. Denn „ihr" Fußballclub Atlético Mineiro aus Belo Horizonte nimmt als amtierender Sieger der Copa Libertadores (das ist quasi die südamerikanische Champions League) an der FIFA-Club-WM in Marokko teil. Gegner dort ist u.a. Bayern München, und die Chancen, dass sich die beiden Top-Teams aus Brasilien und Deutschland am 21. Dezember in Marrakesch im Finale um die Krone des globalen Club-Fußballs gegenüberstehen, stehen ganz ordentlich. Sollte es dazu kommen, wird Cristina Alves Oliveira Ferreira sicher vor dem Fernseher sitzen. Und noch sicherer ist, dass sie nicht Bayern München die Daumen drücken wird.