Die Libero-Position im Volleyball gilt vielen Fans nicht unbedingt als Traumjob. Permanent fliegt man (oder frau) bei oft halsbrecherischen Rettungsaktionen durch die Halle, verbringt also einen enormen Teil des Spiels in der Horizontalen und geht nach getaner Arbeit mit einer Ansammlung blauer Flecken nach Hause. Die spektakulären, vom Publikum bejubelten direkten Punkte machen immer die anderen Spieler. Die großen. Denn die kleinen sind ja Libero geworden.
Tamari Mijashiro misst 1,70 Meter und ist Libera, ab der neuen Saison bei den Roten Raben in Vilsbiburg. Dem Klischee zum Trotz versichert sie glaubhaft, dass das ihr absoluter volleyballerischer Traumjob ist.
„Ich liebe es, in der Defensive zu spielen und dem Team Stabilität zu geben", sagt sie. Wenn sie über ihr Leben als Libera spricht, tut sie dies mit einer interessanten Mischung aus fast wissenschaftlicher Betrachtung und echter Leidenschaft: „Es gibt keine zwei gleichen Aufschläge im Volleyball. Die Annahme ist immer wieder eine neue Herausforderung."
Mit dieser Einstellung und ihrem Können hat es die 26-Jährige schon weit gebracht als Volleyballerin. Höhepunkt war die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2012 in London mit dem Team USA. Den europäischen Vereinsvolleyball kennt Tamari seit dem Sommer 2010, als sie nach Schwechat ging (und auf Anhieb österreichischer Meister wurde). Es folgte eine Saison im polnischen Bielsko-Biala und eine in Baku. An Aserbaidschan hat die Neu-Vilsbiburgerin noch frische und nachdrückliche Erinnerungen: „Das war schon sehr abenteuerlich – im Guten und im Schlechten."
Besonders eingeprägt hat sich bei Tamari der Eindruck, dass in Aserbaidschan keiner glauben wollte, wo sie herkommt. „Niemand dort kennt Hawaii", erzählt sie. „Absolut niemand. Manchmal haben sie es mit Fidschi verwechselt."
Das ist nicht okay für jemand, der zu den 1,3 Millionen stolzen Bewohnern der Inselkette im Pazifik zählt, die seit 1959 der 50. Bundesstaat der USA ist. Wie würde Tamari Miyashiro „ihr" Hawaii in ein paar prägnanten Worten beschreiben? „Es ist immer warm, es gibt keine Jahreszeiten, man braucht eigentlich nie eine lange Hose." Und wie ist das Leben, wie sind die Menschen? „Die Geschwindigkeit des Lebens ist wirklich langsam, und die Leute sind sehr familienorientiert." Und sonst? Sonst, sagt Tamari, ist Hawaii vor allem eines: klein. „In anderthalb Stunden bist Du mit dem Auto um die Insel herumgefahren. Und Du bist von jedem Ort aus in fünf, höchstens in zehn Minuten am Strand."
Wie aber kommt man von Honolulu nach Vilsbiburg? Ganz einfach: Die – ebenfalls neu zu den Roten Raben gekommene – Zuspielerin Jenna Hagglund hat den Kontakt hergestellt. Jenna und Tamari hatten einst an der Universität von Washington zusammen Volleyball gespielt, damals war die zwei Jahre ältere Libera zuerst vor Ort gewesen und hatte die jüngere Kollegin bei der Hand genommen. 2013 hat nun Jenna ihre Freundin zu einem neuen Club gebracht – und den Roten Raben zu einer hochinteressanten Spielerin verholfen.