Bayern - pm (10.03.2022) Ein Bündnis aus bayerischen Jugendorganisationen fordert in einem offenen Brief die Staatsregierung dazu auf, bayerische Kommunen bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtenden zu unterstützen und die Energiewende in Bayern aktiv voranzutreiben.
In der Nacht des 24. auf den 25. Februar startete die Russische Föderation einen Angriff auf die Ukraine. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor mehr als 75 Jahren wird wieder ein Angriffskrieg mitten in Europa geführt. Widerstand gibt es nicht nur von mutigen Menschen in Russland, die unter größten Repressionen auf die Straßen gehen, sondern vor allem von den Menschen in der Ukraine. Obwohl das Leid in dieser schrecklichen Lage sehr groß ist, widersetzt sich die Bevölkerung dem russischen Einmarsch vehement.
Dazu sagt Lena Krebs, Landessprecherin der GRÜNEN JUGEND Bayern: ”Weltweit solidarisiert man sich mit den Menschen in der Ukraine, so auch hier in Bayern. Ehrenamtliche organisieren Sachspenden, Dolmetscher*innen oder Spendenaktionen. Dieser Einsatz zeigt, dass die Bevölkerung bereit ist, Geflüchtete aufzunehmen. Hier muss der Staat jetzt tätig werden und die Kommunen bei der Aufnahme unterstützen. Für uns ist klar: Alle Menschen haben ein Recht auf Asyl, unabhängig von Hautfarbe oder Nationalität. Auch für Geflüchtete aus Afghanistan haben wir in Bayern Platz.”
Anna Tanzer, Landesvorsitzende der Jusos, ergänzt: “Unsere volle Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine und ich bin froh, dass wir gemeinsam auch in Bayern mit unseren Bündnispartner*innen vorangehen und uns Gedanken machen, wie wir dieser Situation begegnen und unterstützen können. Die Abschaffung der 10-H-Regelung gilt aus Sicht der Jusos Bayern als eine der wichtigsten Maßnahmen neben vielen anderen, die selbst ohne die aktuelle Situation längst überfällig ist. Und Geflüchtete aufzunehmen ist und bleibt uneingeschränkt unsere Pflicht!
Luca Schumann, Mitglied im Landessprecher_innenrat der Linksjugend ['solid] Bayern, fordert: “Die Folgen des Krieges in der Ukraine lassen die Energiekosten in Deutschland weiter drastisch ansteigen, besonders zu Lasten von Menschen mit geringem Einkommen. Während andere Länder in Europa Stromschulden erlassen oder Energiesteuern senken, gratuliert die Bundesregierung Energiekonzernen zu steigenden Gewinnen. Wer diese Politik befürwortet, will, dass Menschen verelenden! Deshalb muss Haushalten sofort vor allem mit der Senkung der Energiesteuer und einer Anpassung des Hartz IV Regelsatzes geholfen werden. Langfristig wird nur ein staatlich kontrollierter Umstieg auf erneuerbare Energien stabile und bezahlbare Energiepreise garantieren können.”
Emilia Kirner, Bundesvorsitzende der JÖ - jung. ökologisch., meint:” Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Sanierung unserer Gebäude und die Reduktion unseres Energieverbrauchs sind die besten Mittel, um unsere Abhängigkeit von Russland zu minimieren. Kurzfristig müssen wir in den sauren Apfel beißen und den Import von Gas und Erdöl aus Russland stoppen. Dies geht aber nur, wenn wir die Bürger*innen finanziell unterstützen.”
Der offene Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Söder,
sehr geehrter Herr Staatsminister Herrmann,
sehr geehrter Herr Staatsminister Aiwanger,
sehr geehrte Damen und Herren der Staatsregierung,
In der Nacht des 23. auf den 24. Februar 2022 startete die Russische Föderation einen Angriffskrieg auf die Ukraine. Diesem gingen jahrelange russische Provokationen, kriegerische Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine, die völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim durch die Russische Föderation und mehr als 14.000 Tote seit 2014 voraus.
In den letzten Tagen wurde sehr deutlich, dass dieser Krieg der Krieg Putins und nicht der russischen Bevölkerung ist. Überall in Russland gehen mutige Menschen auf die Straßen und demonstrieren unter größten Repressionen gegen den Krieg.
Aktuell sollte der Fokus aber auf den Menschen in der Ukraine liegen, da diese von diesem unnötigen und völkerrechtswidrigen Krieg am meisten betroffen sind und unvorstellbares Leid ertragen müssen. Frauen und Kinder fliehen, Männer melden sich freiwillig oder werden zwangsweise zur Verteidigung ihrer Frei- heit und Unabhängigkeit eingezogen. Die herzzerreißenden Szenen an den ukrainischen Außengrenzen bestürzen uns zutiefst.
Zeitgleich werden auf allen Ebenen tiefgreifende Sanktionen gegen die Russische Föderation und russi- sche, Putin nahestehende Einzelpersonen erlassen. Da die Bundesrepublik Deutschland über die Hälfte ihrer fossilen Energieträger, wie beispielsweise Öl und Gas, aus der Russischen Föderation bezieht, wird mit den Sanktionen und den damit einhergehenden Auswirkungen auf uns deutlich, wie abhängig wir von fossilen Energien sind. Nicht umsonst haben die Ministerinnen und Minister der Bundesregierung davon gesprochen, dass wir unsere energetische Unabhängigkeit nur durch einen rasanten Ausbau der Erneuer- baren Energien erreichen werden.
In Anbetracht dieser Schilderungen fordern wir von Ihnen:
1. Die sofortige finanzielle und organisatorische Unterstützung für bayerische Kommunen bei der Aufnahme von Menschen aus der Ukraine.
Wir fordern die Staatsregierung dazu auf, ausreichende finanzielle Mittel zur Aufnahme und Versorgung Geflüchteter sowie der Sanierung geeigneter Unterkünfte bereitzustellen. Besondere Aufmerksamkeit brauchen in diesen Tagen Flüchtende, die sich beispielsweise aus afrikanischen oder asiatischen Ländern in der Ukraine aufgrund von Studium oder Arbeit aufhalten und von der Flucht in die Europäische Union abgehalten werden. Hier fordern wir von der Staatsregierung dazu auf, sich in ihrem Kompetenzbereich bei allen zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass diese Menschen ohne Visum und Wartezeit in die Europäische Union einreisen und in Bayern einen sicheren Hafen finden können.
2. Den baldmöglichsten, massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien in Bayern, darunter besonders die Windkraft.
Wie bereits angemerkt, bedeutet der Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Bundesrepublik Deutsch- land und eben auch im Freistaat Bayern die Unabhängigkeit und Freiheit von fossilen Energien wie Öl und Gas. Da diese vor allem aus autoritären Staaten, wie beispielsweise der Russischen Föderation, importiert werden, ist dies ein wichtiger Schritt für unsere Versorgungssicherheit, gerade zu Kriegszeiten. Dabei ist selbstverständlich, dass der Ausstieg aus Kohle und Atom nicht verhandelbar ist und zum frühestmöglichen Zeitpunkt umgesetzt werden muss. Kohle- und Atomstrom sind weder nachhaltige und klimafreundliche noch sichere Alternativen zu den Erneuerbaren Energien. Zudem muss auch in ande- ren Bereichen die Energiewende aktiv vorangetrieben werden. Darunter fallen beispielsweise die staat- liche Förderung für energieeffizientes Bauen, klimaoptimierte Gebäudedämmung oder der Austausch fossiler Heizungssysteme hin zu Wärmepumpen. Ein Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien und die damit einhergehenden weiteren Maßnahmen zur Förderung der Energiewende bedeuten nicht nur Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von fossilen Energien: Gerade Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, Hartz IV Empfangende und Rentner:innen werden vom aktuell rapiden Anstieg der Energiepreise überproportional hart getroffen. Wir fordern Sie dazu auf, sich auf Bundesebene für eine sofortige Anpassung des Hartz IV Regelsatzes einzusetzen und den Kommunen finanzielle Mittel zur Hilfe von Bedürftigen bereitzustellen. Langfristig gesehen profitiert diese Personengruppe von niedrigeren Energiepreisen durch einen Umstieg auf Erneuerbare Energien. Der soziale Ausgleich im Energiebereich kann hier konkret umgesetzt werden. Insgesamt muss bei der Energiewende darauf geachtet werden, dass im Rahmen der Transformation Arbeitsplätze erhalten bleiben und diese nicht zum Nachteil sozial benachteiligter Menschen stattfindet.
Wir bitten Sie inständig, unsere Forderungen zeitnah umzusetzen, um zum einen den Menschen in der Ukraine umfassend zu helfen und zum anderen unsere energetische Unabhängigkeit von der Russischen Föderation zu schaffen.
Sorge bereitet uns zur Zeit auch die unterschiedlichen Reaktion auf ankommende Flüchtende aus der Ukraine im Vergleich zu flüchtenden Menschen aus anderen Regionen der Welt. Wir kritisieren scharf, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird und eine Ungleichbehandlung stattfindet. Wir fordern die Staatsregierung dazu auf, bei Geflüchteten keine Unterscheidung nach Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität oder Religion zu machen und allen ein würdevolles Leben in Bayern ohne Sammelunterkunft, AnKER-Zentrum oder Arbeitsverbot zu ermöglichen. Besonders erwarten wir, dass die Staats- regierung sich mit allen Kräften dafür einsetzt, dass die zeitnah in Bayern ankommenden afghanischen Ortskräfte mit derselben Energie und Herzlichkeit aufgenommen werden wie die flüchtenden Menschen aus der Ukraine.
Über diesen Weg hoffen wir auf einen konstruktiven Dialog. Wir fordern Sie zum schnellen Handeln auf und bitten um Stellungnahme zur aktuellen Situation der Aufnahme flüchtender Menschen aus der Ukrai- ne und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. Über eine Antwort über die in der E-Mail dieses Briefes angegebene Kontaktadresse würden wir uns sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Lena Krebs, Landessprecherin GRÜNE JUGEND Bayern
Miximilian Retzer, Landessprecher GRÜNE JUGEND Bayern
Anna Tanzer, Landesvorsitzende Jusos Bayern
Xenia Daberto, Mitglied im Landessprecher_innenrat linksjugend [´solid] Bayern