Einige deutsche Automobilzulieferer sind auf die zunehmenden Risiken durch Lieferanten-Insolvenzen nicht optimal vorbereitet. Dies zeigt eine Studie, deren Ergebnisse die Hochschule Landshut gemeinsam mit Helbling Business Advisors vor kurzem veröffentlicht hat. Nur etwa ein Drittel der Teilnehmer erlangte laut Studie den Rang des „Risiko-Wertschöpfers" und kombiniert somit eingegangenes Sourcing-Risiko mit notwendigen Risikomanagement Strukturen.
Eine preis- und wettbewerbsorientierte strategische Ausrichtung des Einkaufs geht einher mit zunehmenden insbesondere finanziellen Lieferantenrisiken. Bei zwei Drittel der Teilnehmer besteht teils akuter Handlungsbedarf.
Studienleiter Prof. Dr. Carsten Röh, Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule Landshut, befragte hierzu mit seinem Team das Top-Management von ca. 80 Automobilzulieferern mit Sitz in Deutschland. „Wir haben zuvor viele Veröffentlichungen gesichtet, aber mit diesem Tiefgang und dem engen Austausch mit den Beteiligten haben wir im deutschen Raum nichts finden können." Im Fokus der Befragung standen diejenigen Instrumentarien, mit denen Unternehmen präventiv (vorausschauend) und gegebenenfalls reaktiv (im akuten Notfall) die Risiken angehen. Der Abgleich aus Selbsteinschätzung der Unternehmen und der fundierten empirischen Situationsanalyse sowie nicht zuletzt die langjährige Praxiserfahrung der Studienpartner, ermöglichte es, jedem Teilnehmer ein individuelles Set an Handlungsempfehlungen zur Optimierung des Risikomanagement-Systems an die Hand zu geben.
Laut Röh lag der Erfolg nicht zuletzt an der Aufstellung der Studienpartner „Mit Unterstützung der Experten von Helbling Business Advisors war es uns möglich, sehr praxisnahe Fragenkataloge und ein zielgerichtetes Bewertungsschema zu entwerfen." Frank Stubbe, Standortleiter von Helbling Business Advisors in München ergänzt: „Helbling blickt auf eine Vielzahl erfolgreicher Projekte im deutschen Mittelstand zurück, bei denen das Thema Risikomanagement sehr oft präsent war."
Das eigens entwickelte Rating ordnet dabei die Unternehmen in einer Matrix vier Risikotypologien zu. Die Auswertung der Wettbewerbsorientierung der Sourcing-Strategie auf der einen und die Ratingnote bezüglich des Risikomanagements auf der anderen Seite, ließ den Studienleiter folgende Begriffe definieren: „Risiko-Wertschöpfer", „Komfort-Spieler", „Risiko-Spieler" und „Potential-Kandidaten". In dieses Portfolio können Zielbilder für die Gestaltung eines optimalen Risikomanagements mit entsprechenden Handlungsempfehlungen eingebaut werden.
Alle untersuchten Unternehmen ließen sich in ihrem Risikomanagement weiter verbessern: Ziel dieser Maßnahmen sollte die strategische Weiterentwicklung hin zur Typologie des „Risiko-Wertschöpfers" sein, um das ganze Potential des Einkaufsmarktes zu erschließen bei gleichzeitig begrenztem Eingang von Risiken. Je nach Einstufung in die einzelnen Typologien sind spezifische Strategien zur Optimierung notwendig. Diese können recht unterschiedlich ausfallen, so das Ergebnis der Studie.
Die „Potential-Kandidaten" müssen dabei beide Ebenen (Optimierungshebel: „strategische Ausrichtung des Einkaufs und die Qualität des Risikomanagements") optimieren, die „Risiko-Spieler" müssen vor allem an der Qualität des Risikomanagements arbeiten und die „Komfort-Spieler" können ihr gutes Rating für einen kontrollierten Sprung ins „Sourcing-Risiko" nutzen. Doch auch die „Best-Practice" Unternehmen („Risiko-Wertschöpfer") können weiterhin an vielen organisatorischen und prozessualen Themen arbeiten.
Studienleiter Prof. Dr. Röh: „Als Ergebnis zeigt sich, dass selbst für die Automobilzulieferer, welche sich intensiv mit dem Thema Lieferanten-Risikomanagement und der Reduzierung von Lieferantenrisiken (Supplier Risk) auseinandersetzen, deutliches Optimierungspotential im Hinblick auf den weiteren Ausbau des Risikomanagements besteht." „Vereinzelt kann auch abgeleitet werden, dass deutliche Stärken im Risikomanagement die Basis bilden können für eine wettbewerbsorientiertere Einkaufspolitik", so Christian Kießling, Rechtsanwalt, Mitinitiator der Studie und Kooperationspartner von Helbling Business Advisors.
Oliver Brockmann, Mitautor der Studie, verdeutlicht die Bedeutung von kontinuierlicher Forschung im Beriech Lieferanten-Risiko: „Geschätzte 500 Insolvenzen von Automobilzulieferern zwischen 2007 und 2013 haben in der Industrie Wirkung gezeigt. Wir werden die Studie fortan wiederholen und diesem Forschungsgebiet die notwendige Aufmerksamkeit schenken."
Die Ergebnisse der Studie sind im Rahmen der Reihe „Landshuter Automobilwirtschaftliche Beiträge" erschienen und können bezogen werden über die Hochschule Landshut (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) oder Helbling Business Advisors (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) und kostet 98 ¬ .
Die Autoren der Studie
Prof. Dr. Carsten Röh, Jahrgang 1971, ist seit 2009 Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule Landshut. Der studierte Betriebswirt lehrt zudem an der FH Joanneum in Kapfenberg (A). Röh ist Studiengangsleiter des Studienganges „Automobilwirtschaft und -technik" sowie Initiator und Faculty-Advisor des Formula-Student-Rennteams „LA-eRacing" der Hochschule Landshut. Von 1995 bis 2002 war er bei Zuliefererunternehmen für Holzapplikationen in Italien und den USA in Vertriebsfunktionen tätig. Danach war er von 2002 bis 2009 Projektleiter bei der AUDI AG im Geschäftsbereich Beschaffung. Röh ist Co-Autor des Standardwerkes „Materialwirtschaft und Einkauf"; er hat bereits mehrere auch international angelegte Studien im Kontext Risikomanagement, Rohstoffbeschaffung und Ressourceneffizienz durchgeführt, ist Preisträger des "Cross Border Awards" der IHK Niederbayern und ferner als Berater tätig. Mit drei Professorenkollegen des Forschungsschwerpunktes „Produktions- und Logistiksysteme" der Hochschule Landshut gründet Röh aktuell ein Technologiezentrum mit Sitz in Dingolfing, dass ab 2016 u.a. mit einer 900 m² großen Musterfabrik Forschungs-, Weiterbildungs- und Technologietransferaktivitäten entlang der kompletten industriellen Wertschöpfungskette aufnehmen wird.
Christian Kießling ist freiberuflicher Rechtsanwalt und ausgewiesener Experte auf dem Gebiet des Risikomanagements, insbesondere in der Automobilindustrie. Während seiner jahrelangen Mitgliedschaft in der Geschäftsleitung der Helbling Business Advisors GmbH. ware er schwerpunktmäßig verantwortlich für Mandate in den Bereichen Restrukturierung und Risikomanagement Supply Chain.
Reichhaltige Erfahrung im Bereich Risikomanagement hat er darüber hinaus über viele Jahre im Volkswagen Konzern gesammelt. Dort leitete er als Manager der AUDI AG den Einkaufsbereich „Zentrale Einkaufsservices, Riskmanagement und Strategie" sowie in Personalunion den Bereich Risikomanagement Einkauf des Volkswagen Konzerns. Dabei sorgte er mit seinem Team dafür, dass es selbst in den Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise trotz massiv gestiegener Insolvenz- und Krisenzahlen bei Automobilzulieferern zu keinerlei Produktionsunterbrechungen im Volkswagen-Konzern kam.
Oliver Brockmann; Jahrgang 1983 ist externer Doktorand an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der KU Eichstätt-Ingolstadt. Er ist seit mehreren Jahren Lehrbeauftragter an der Hochschule Landshut und doziert auch an der Akademie Handel in München, wo er auch im Prüfungsausschuss sitzt.
Helbling Business Advisors ist eine Unternehmensberatung mit den Schwerpunkten Strategie und Markt, Operational Excellence, Turnaround Management, Financial Advisory und Mergers & Acquisitions. Ein Großteil unserer Mandate ist grenzüberschreitend, unsere Büros in Deutschland und der Schweiz sowie unsere Netzwerkpartner von „Corporate Finance International" ermöglichen
uns internationale Präsenz. Helbling Business Advisors ist eine Tochtergesellschaft der Helbling Gruppe mit über 475 Mitarbeitern.