Aufbruchstimmung bei der SPD in Essenbach, Dank Atomkraftwerk reichste Gemeinde im Landkreis Landshut. Schon an den Infoständen war sein Wochen die meistgestellte Frage: „Wer wird Bürgermeisterkandidat oder - Kandidatin der SPD?" Jetzt ist diese Frage gelöst. Die beiden Vorsitzenden der SPD-Ortsvereine, Martin Hujber und Erhard Fleischman, schlugen einmütig die 36-jährige Filiz Cetin (im Bild 3. von links) vor.
„Seit der amtierende Bürgermeister Fritz Wittmann kundgetan hat, dass er am 16. März 2014 nicht mehr antritt, haben die beiden SPD-Vorsitzenden überlegt, mit wem sie in die Kommunalwahl ziehen wollen", so Hujber. Die Wahl sei dabei leicht gefallen, meinte Erhard Fleischmann. „Es isti doch ein hervorragendes Signal, wenn zwei Männer hinter einer Frau stehen", erklärte Martin Hujber mit Verweis auf die Geschlossenheit beider Ortsvereine.
Die junge Mutter eines 9-jährigen Sohnes hat in Essenbach seit zwei Jahren ihre Heimat. „Auf Anhieb habe sie sich beim Besuch ihrer Schwester, die in Ergolding lebt, in die Gemeinde Essenbach verliebt und beschlossen, von Göppingen nach Niederbayern zu ziehen", so Fili Cetin. „Heimat sei dort, wo man sich wohl fühle und seine Freunde habe", stellte die junge Kandidtin im sympathischem Schwäbisch fest.
Von Berufs wegen sei sie es gewohnt, mit verschiedenen Menschen zusammenzuarbeiten – mit Arbeitnehmern, Rentnern, jungen Auszubildenden aber auch Unternehmern und Personalverantwortlichen, so die Vertriebs-Mitarbeiterin einer Krankenkasse. „Gute Kommunikation ist das A und O im Vertrieb – aber auch in der Politik", so Cetin.
Ihre politischen Schwerpunkte für die Gemeinde sieht die Bürgermesiterkandidatin im Erhalt der Wirtschaftskraft der finanzstarken Kommune. Die Energiewende bietet neue Chancen für junge Unternehmer und vor allem für junge Familien, die sich unbesorgt in der Gemeinde ansiedeln können. Hart ging Filiz Cetin mit der bayerischen Bildungspolitik ins Gericht: „Es könne doch nicht auf Dauer angehen, dass täglich 800 junge Menschen die Gemeinde verlassen müssen und stundenlang unterwegs sind, um eine höhere Schulbildung zu erhalten". Hier hätte das bayerische Kultusministerium vor drei Jahren die Chance gehabt, den vom Kreistag Landshut mehrheitlich beschlossenen Gymnasiums-Standort Essenbach zu genehmigen und so den ländlichen Raum zu stärken.
Doch auch die künftigen Senioren hat die engagierte Sozialdemokratin im Blick: Das Thema „Demographie" muss in den Mittelpunkt der nächsten Legislaturperiode im Gemeinderat gestellt werden. Hier gebe es vielfältige Aufgaben – angefangen von der Mobilität älterer Mitbürger, die auf mehr ÖPNV angewiesen sind, aber auch die stärkere Barrierefreiheit bei öffentlichen Einrichtungen und den Auf- und Ausbau der Netzwerke, um die verschiedenen Angebote zu koordinieren.
Mit lang anhaltendem Applaus bedachten die SPD-Mitglieder und viele Gäste aus den benachbarten SPD-Ortsvereinen die engagierte Rede und gaben Filiz Cetin ein klares Votum mit auf den Weg: Mit 23 Jastimmen bei einem ungültigen Stimmzettel kann sie nun in die Kommunalwahl starten und kündigte auch gleich an, dass sie auf einen fairen und respektvollen Umgang der Bürgermeisterkandidaten untereinander Wert lege. Zu den ersten Gratulanten gehörte übrigens die Vilsbiburgerin Tuba Altuntas, auch eine Teilnehmerin des SoFIA-Projekts. Einige SoFIA-Teilnehmerinnen waren eigens zur Nominierungsversammlung erschienen, um so ihre Solidarität mit Filiz Cetin kundzutun.
Der stellvertretende Unterbezirksvorsitzende der SPD, Harald Unfried, gratulierte der frisch gebackenen Kandidatin. Gerade in diesem Jahr, wo die SPD ihr 150jähriges Parteijubiläum feiert, werde umgesetzt, was immer gefordert wurde: Die Gleichstellung von Frauen und Männern.
Eine „mutige" – aber auch eine „gute" Entscheidung, konstatierte Kreisvorsitzende Ruth Müller, die die Wahl leitete. Die SPD-Ortsvereine in Essenbach und Ohu-Ahrain signalisieren damit, dass die Qualität eines Kandidaten nicht vom Alter, vom Geschlecht und von der Herkunft abhänge, so Müller. Und wie sie in den vergangenen Monate Filiz Cetin kennen gelernt habe, werde sie auch im Landkreis Landshut für die Interessen der Gemeinde Essenbach kämpfen, damit die Gemeinde weiter aufblühe. „Nomen est omen" – so Müller – denn der türkische Vorname „Filiz" bedeute auch „Knospe" und „aufblühen".
Unter dem Aspekt „Mehr Frauen in die Kommunalpolitik" habe man vor einigen Monaten das „SoFIA-Projekt" gestartet (Sozialdemokratische Frauen interessieren und aufbauen). Als Kreisvorsitzende freue sie sich, dass nun die erste Teilnehmerin dieser Gruppe dazu beitrage, der Kommunalpolitik ein weiblicheres Gesicht zu geben. Derzeit sind im Landkreis Landshut nur 18 Prozent der Gemeinde- und Stadträte Frauen, das spiegle nicht den Querschnitt der Bevölkerung wider, so Müller. Die SPD hat für das Frauenwahlrecht gekämpft, hat es im November 1918 beschlossen und im Januar 1919 durften Frauen in Deutschland erstmals wählen. Fast 100 Jahre hätten nun die Gemeindebürger in Essenbach die Gelegenheit, Geschichte zu schreiben, indem sie eine Frau zur Bürgermeisterin ihrer Marktgemeinde machen.
Im Bild oben von links: Marcella Isleb, Tuba Altuntas, Bürgermeisterkandidatin Filiz Cetin, SPD-Kreisvorsitzende Ruth Müller, Angelika Thiel, Kerstin Schanzer.