Foto: Mit Biobauer Martin Häusler sitzt ein Praktiker im EU-Parlament, der vor dem Gift auf dem Acker warnt.
Landshut – gw (17.07.18) „Das Gift vom Acker zu bringen ist ganz einfach: Es gar nicht auszubringen.“ So einfach kann die Lösung aussehen, erklärte der Grüne Bezirksrat Markus Scheuermann im Zollhaus beim „Grünen Abend der Artenvielfalt.“ Hauptreferent MdEP und Biobauer Martin Häusling nannte Chemie in der Landwirtschaft gar eine “Langzeitbombe gegen die Menscheit.“ Laut Umfragen wünschen sich 80 Prozent der Bayern mehr Artenvielfalt und weniger Gift auf den Äckern, so die Stadträtin und Grüne Landesvorsitzende Sigi Hagl.
„Die CSU macht es sich einfach“, beklagte die Grüne MdL Rosi Steinberger in ihrem Großwort. Unter Ministerpräsident Edmud Stoiber wurde die Biotopkartierung eingestellt und Naturschutzbehörden leiden unter immer weniger Personal und finanziellen Mittel. Als die Grünen ein Artenschutzgesetz in den Landtag einbrachten, war auch die CSU über das Artensterben entsetzt, hat aber nichts dagegen unternommen, so die Abgeordnete und als die Grünen den Schutz von Gewässerrandstreifen forderte, waren CSU und Freien Wähler dagegen. Die SPD glänzte mit ihrer Enthaltung.
MdL Rosi Steinberger rügt die CSU, die nichts gegen das Artensterben unternimmt.
Den Grund für das Aussterben von Vogelarten, Heuschrecken, Libellen und Insekten sieht Steinberger eben im Verschwinden von Gewässerrandstreifen, Hecken und nicht zuletzt im Flächenfraß. Leicht ironisch fügte sie an: „Mal sehen, mit wem die CSU imHerbst weiterregiert“ um anzudeuten, dass Grüne Politik mehr Verantwortung für den Schutz der Lebensgrundlagen übernehmen will.
Die Landesvorsitzende der Partei, Sigi Hagl, brachte es pragmatischer auf den Punkt: „Artenschwund ist eine Gefährdung der Menschheit.“ Dabei wünschen sich 80 Prozent der Bayern mehr Artenschutz und weniger Gift auf den Äckern. Dieser Wunsch lässt sich laut Hagl nur zusammen mit der Landwirtschaft erreichen, die andererseits immer abhängiger von den Chemiekonzernen werden.
In Zahlen ausgedrückt, werden jährlich 100.000 Tonnen Pestizide pro Jahr in Deutschland verkauft. Für Bayer gibt es keine eigenen Zahlen. Aber für Hagl ist klar: „Das was verkauft wird landet auch auf dem Acker“. Daher fordert sie, Pestizide bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren, um näher an eine Giftfreie Landwirtschaft zu kommen.
Die Mehrheit der Bayern steht für mehr Artenschutz und weniger Gift ein: Die Grüne Landesvorsitzende Sigi Hagl
Das Spritzen von Pestiziden fing in den 60er Jahren an, erklärte der Hessische Biobauer und Europaabgeordnete Martin Häusling, der seinen Hof seit 1988 nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet. Glyphosat wird, so Häusling, als Pflanzenschutz dargestellt, ist billig und wirkt so, als würde ein Landwirt sein Feld umpflügen. Es kommt auf 40 Prozent aller Deutschen Ackerflächen zum Einsatz.
DBT war eines der ersten Gift in der Landwirtschaft, dann verschwanden Adler und Wanderfalken. Jetzt sind es Neonicotinoide, die den Orientierungssinn der Bienen stören. „Wir haben kein Mittel, das keine Nebenwirkungen hat“, resümiert Martin Häusling resigniert. Und als EU-Parlamentarier weiß er: „Die hardcore Chemiker in Brüssel kommen aus Bayern und sind von der CSU“. Gemeint sind damit Lobbyisten, die die Zulassung neuer Spritzmittel durchsetzen wollen.
Wie kriegen wir das Gift vom Acker? Interessiertes Publikum im Zollhaus.
Die Krux an der Sache sieht Häusling in den miserablen Preisen, die Bauern für ihre Produkte bekommen. Diese liegen auf dem Niveau der 50er und 60er Jahren. Anderseits wandern 130 Euro pro europäischem Steuerzahler als Subventionen in der Landwirtschaft. Das sind 300 Euro pro Hektar. „Leider können wir mit dem Geld nicht die Gesetze umbiegen.“
Ein großes Problem liegt vor allem in den Nitraten, die in der Landwirtschaft als Abfall übrig bleiben. „Auch wenn wir viel produzieren und exportieren, die 'Scheiße' bleibt im Land.“ machte Häusling deutlich und fügte an: „Wenn wir zu viel 'Scheiße' haben, dürfen wir keine neuen Ställe bauen. Unterm Strich nimmt Deutschland beim Umweltschutz im europäische Schnitt einen sehr schlechten Platz ein.
So haben seine Söhne in der Schule zwar alles über Pestizide gelernt, aber nichts über ökologischen Landbau. Es geht immer nur um die maximale Steigerung des Ertrags. So stellte Häusling auch den Sinn in Frage, für erneuerbare Energien Raps und Mais in Masse anzubauen. Anstatt einweißhaltige Pflanzen aus Südamerika zu importieren, wäre es besser Soja und Erbsen auf unseren Äckern zu pflanzen. In Deutschen Ställen wird dann aus den eiweißhaltigen Pflanzen tierisches Eiweiß.
Ökolandbau kann uns ernähren, davon ist MdEP Martin Häuslich überzeugt.
Eine Langzeitbombe sieht der Biobauer im Antibiotikaeinsatz in unseren Ställen. Hier werden die Hühner übrigens schon vorsorglich mit dem Medikament behandelt, obwohl es gar keine Krankheiten aufweist. Unterm Strich, so Häusling, muss uns unser Essen mehr Wert sein, als Billigfleisch vom Discounter.
MdL Rosi Steinberger pflichtete dem Referenten bei. Anstatt in der Massentierhaltung Antibiotika schon rein vorsorglich einzusetzen, wäre es besser, weniger Tiere auf gleicher Fläche zu halten, um so auf das Medikament zu verzichten. Und Dr. Thomas Keyßner fügte an: „Die Grünen sind mit ihrer Forderung, dass ein Landwirt auch Naturschützer sein kann, auf verlorenem Posten.“
Alles in allem zahlt die Allgemeinheit die Umweltfolgen. Ausgestorbene Wildpflanzen wieder in die Natur zurückzubringen, kostet mehr als deren Vernichtung. Drei Milliarden Euro, so hoch wird die Leistung der Bienen für das Bestäuben von Pflanzen berechnet. Das steht aber auf keinem Preisetikett. Doch der Handel denkt pragmatisch. Sollte es einmal keine Kirschen mehr geben, dann werden sie halt importiert.
Insgesamt fehlt es den Konsumenten bei uns auch an der Wertschätzung landwirtschaftlicher Produkte. „Die Sau sollte wieder ein weiß-blaues Qualitätsprodukt werden. In Österreich haben es viele Landwirte geschafft, mit regionaler Bioqualität auf dem Markt zu punkten.
Bietet seinen Gästen selbst gerne regionale Zutaten an: Zollhaus- und Dultfestwirt Patrick Schmidt.
Zollhauswirt Patrick Schmidt plauderte dazu aus dem Nähkästchen. Er selbst hatte in Österreich gearbeitet und gesehen, dass dort regionales und biologisches einen enorm hohen Stellenwert einnimmt. Ganz anderes bei uns, so seine Festwirt-Erfahrung bei der Frühjahrsdult. Die Nachfrage nach Biohühnchen hielt sich sehr in Grenzen. Seiner Meinung nach sollte bereits in der Schule begonnen werden, die Kinder an gesundes Essen heranzuführen. „Denn Essen bedeutet Leben“.
Seine Servicekraft fügte ganz passen an: „Ja wo haben wir den die Skandale in den letzten Jahren gehabt? In den kleinen Betrieben oder in den Großbäckereien und Großmetzgereien?“