Bunt war es vor der Bühne in der Landshuter Altstadt bei der dritten Contdown-Demo zum Aus von Isar II und der kommerziellen Kernenergie in Deutschland. - Fotos: W. Götz
Landshut – gw (11.03.2023) Abschalten! Auf dieses Ereignis arbeitet ein breites Bündnis aus Anti-Kernkraftinitiativen seit Jahrzehnten hin. In 35 Tagen wird es soweit sein. Dann gegen die letzten drei aktiven deutschen kommerziellen Kernreaktoren Isar II, Emsland und Nekarwestheim 2 vom Netz. Der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg wird dann Geschichte schreiben. Um ihre Forderung zu unterstreichen fand am Samstag, am zwölften Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Fukushima eine Countdown-Demo vor dem Rathaus in der Altstadt statt.
200 Teilnehmer konnte Robert Grashei um 13 Uhr vor der Bühne begrüßen. Darunter Vertreter des Bündnis für Atomausstieg (BüfA), der IG Metall, vom Bund Naturschutz, Friday for Future, den Grünen und der ÖDP sowie die Ubuntu Drummers und Liedermacher Armin Reiseck.
„Wir sind hoffentlich zum letzten Mal hier“, eröffnete Rosi Steinberger, Landtagsabgeordnete der Grünen, ihre Rede. Sie erinnerte sich zurück an 40 Mahnwachen vor dem Kernkraftwerk Isar I, bis es Ende Mai 2011 für immer vom Netz ging. „Doch dann hätte man loslegen müssen, die erneuerbaren Energien auszubauen“, so Rosi Steinberger. Doch es kam anders: Die Erneuerbaren wurden abgewürgt und die deutsche Solarbranche in die Pleite getrieben. Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier, brüstete sich sogar damit, die Solarenergie ausgebremst zu haben, erinnert sich Steinberger.
Rosi Steinberger, Grünen-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt- und Verbraucherschutz
Stattdessen begab sich die regierende konservative Politik in die Abhängigkeit von Russischem Gas, Bayern allen voran. Und heute? Während Markus Söder 2012 noch sagte, er trete zurück, wenn Isar I nicht abgeschaltet wird, entdeckt er jetzt seine Liebe zur Kernkraft neu zurück. Sein Parteikollege Andi Scheuer, möchte sogar neue AKWs bauen, kritisierte die Abgeordnete.
„Wollen wir den nächsten GaU?“, fragte Steinberger. „Wir sagen Nein!“, antwortete sie sogleich. Denn für sie ist an Atomkraftwerken nur eines sicher: Das Risiko. Daher muss mit der Kernenergie am 15. April Schluss sein und der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mehr blockiert werden.
Das gelbe Atomfass als Warnung vor den Risiken der Kernenergie und Teilnehmer an der Kundgebung, die aus einem breiten Bündnis aus Atomkraftgegnern bestanden.
Urban Mangold, Bezirksrat der ÖDP, stellte fest: „Es mangelt nicht an der Energiewende und den technischen Möglichkeiten dazu, sondern am politischen Willen.“ So haben sich CDU/CSU im Verbund mit der FDP und SPD nicht um Speichertechnik gekümmert, die Erneuerbaren mit monströser Bürokratie ausgebremst und Deutschland in eine russische Gasabhängigkeit geführt. Urban Mangold appellierte, am 8. Oktober bei der Landtagswahl zu bedenken, in welche Abhängigkeit von Verbrechern und Despoten die CSU das Bayernland geführt hat.
Urban Mangold rechnete vor: In Zeiten mit 65 Prozent regenerativer Energie lag der Strompreis an der Börse bei 8 Cent, in windschwachen Zeiten bei 20 Cent. Das heißt: Viel erneuerbare Energie senkt den Strompreis. Und deshalb sagt er: „Die CSU redet Unsinn.“
Urban Mangold (ÖDP), Bezirksrat und Stadtrat in Passau
Für was steht das „C“ in „CSU“?, hinterfragte Urban Mangold. Für „Christlich“ oder für „Conservare“, wie bewahren? Für keines von beiden, stellte Mangold fest. Denn wer das Land dem Atomrisiko aussetzt und Unmengen an Atommüll zurück lässt, der ist kein echter Konservativer, der denkt nur an Gewinnmaximierung. So kann das „C“ nur eines bedeuten: „“Cash“, wie Bargeld.
Mangold mahnte aber auch, es reicht nicht aus, auf Öko-Strom umzustellen und ein E-Auto zu kaufen. Nach der Überzeugung der ÖDP muss der Konsum maßvoller werden, um die Ansprüche an den Planten Erde zu reduzieren.
Dr. Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energietechnik an der OTH Regensburg erinnerte sich zurück, als er mit 16 Jahren das Kernkraftwerk Isar mit seiner Schulklasse besuchte. Es gab Pizza und Cola. Nach der Besichtigung erkundigte er sich nach der Endlagung des Atommülls und wie das Kernkraftwerk versichert sei. Beide male bekam er die Antwort, das gibt es nicht.
Dr. Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energietechnik an der OTH Regensburg
Doch kann man nach Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima sagen, die Kernkraft seit zu 100 Prozent sicher? Sechs Reaktoren sind dort kollabiert. Sechs von 600 weltweit, als jedes 100ste. „Was wäre, wenn wir wüssten, jeder 100ste Flieger stürzt ab?“, so Prof. Dr. Michael Sterner. Und ohne ein Endlager wäre es so, als sitzen wir in einem Flugzeug, für das es noch keine Landebahn gibt.
Auch beim Energiepreis kann die Kernenergie, die ihre Brennstäbe größtenteils aus Russland importiert, nicht mithalten. Eine Kilowattstunde Atomstrom kostet mit rund 40 Cent rund zehn mal so viel, wie eine Kilowattstunde Sonnenstrom made in Bayern. Anstatt umzudenken, schlägt die Bayerische Politik nun Fracking vor und verhinderte den Bau von Stromtrassen.
Laut Prof. Dr. Michael Sterner, sollte lieber auf Wind und Sonne gesetzt werden, überschüssiger Strom in Form von Wasserstoff und in den vorhandenen unterirdischen Gasspeichern gelagert werden. Damit werden die erneuerbaren Energien Grundlastfähig. Die Techniken dazu sind bereits vorhanden, aber es benötigt eine Politik, die das umsetzt, zudem sich für neue Kernkraftwerke auch keine Investoren mehr finden.