Keine Geburt ohne Hebamme, so sieht es der Gesetzgeber in Deutschland vor. Die Beiträge zur beruflichen Haftpflichtversicherung werden für die Hebammen aber zunehmend unbezahlbar. Ab 1. Juli 2015 wird die Prämie auf 6.274 Euro steigen, also 23 Prozent mehr als die aktuell gültigen 5.090 Euro. 2004 lag die Prämie noch bei 1.352 Euro, vor 30 Jahren gar bei 30 Euro.
Für die Versicherungskonzerne ist es dennoch nicht lukrativ genug ist. Zum 1. Juli 2015 wird sich die Nürnberger Versicherung aus dem Konsortium zurückziehen. In Folge dessen steigen die Beiträge, was viele Hebammen am Existenzlimit zwingen wird, ihren Beruf aufzugeben. Die Leidtragenden sind Familien, die allein gelassen werden. Im Moment droht die Gefahr, dass sich kein Konzern finden wird, der dauerhaft einspringt, um die Hebammen zu versichern. Dies käme einem Berufsverbot für Hebammen gleich, denn ohne Versicherung dürfen sie nicht arbeiten.
Leider wird von einem Großteil der Bevölkerung angenommen, dass dieses Problem nur Hausgeburtshebammen und Geburtshäuser betrifft - dies ist ein Irrtum. Betroffen sind alle Hebammen in Deutschland.
Die Zahl der Schadensfälle nimmt nachweislich von Jahr zu Jahr ab, aber die Höhe der einzelnen Schäden steigt drastisch an. Die Gerichte berechnen die Höhe eines Schadensfalles beispielsweise durch eine Hochrechnung, was dieses Kind als gesunder Erwachsener sein Leben lang erwirtschaften und in die Sozialversicherung einzahlen hätte können. Dadurch kommen nicht selten siebenstellige Summen zusammen, die aus der Berufshaftpflicht der Hebammen gedeckt werden. Ein Großteil der Klagen kommt übrigens von den Krankenkassen. Sie können beispielsweise bei einer Erkrankung ihres Versicherten die Behandlungskosten auf die Berufshaftpflicht der Hebammen abwälzen, indem sie einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Geburt herstellen, was bis zu 30 Jahre nach der Geburt möglich ist.
Bis zu sechs Millionen Euro pro Fall übernimmt die Haftpflicht der Hebammen. Darüber hinaus haften die Frauen mit ihrem Privatvermögen. Die selbstständigen Hebammen arbeiten viel, verdienen im Schnitt laut Bundesverband aber nicht einmal 7,50 Euro brutto pro Stunde. Jeder ungelernte Angestellte verdient durch den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn mehr. Als Selbstständige müssen sie sich davon noch versichern, vorsorgen, Steuern zahlen und eben jene Berufshaftpflichtversicherung bezahlen ohne die sie nicht arbeiten dürfen. Teilzeitmodelle sind fast nicht finanzierbar, da die Hebamme trotzdem den vollen Beitragssatz zahlen muss.
Die Politik und die Krankenkassen sind gefordert.
Seit vielen Jahren wird sich mühsam von Übergangslösung zu Übergangslösung gehangelt. Der Hebammenverband hat mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen Verhandlungen geführt, um den Hebammen eine Verbesserung der Vergütung zu ermöglichen. Diese sind im April 2015 für gescheitert erklärt worden. Das bedeutet, dass eine Hebamme die einigermaßen wirtschaftlich arbeiten möchte, beispielsweise einen Hausbesuch weiterhin nach spätestens 30 Minuten beenden müsste.
Jede Mutter wird wissen, dass die Zahl der Untersuchungen und die Aufklärungsgespräche, nicht in 30 Minuten zu schaffen sind. Das Klinikum Landshut gehört mit seinen jährlich knapp 800 Geburten zu den mittelgroßen Geburtskliniken. Zwölf Frauen arbeiten als Beleghebammen am Klinikum. 60 Stunden und mehr die Woche sind eher die Regel als die Ausnahme. „In einer durchschnittlichen Woche habe ich zwei Zwölfstundenschichten und eine 24-Stundenschicht. Dazu kommen noch Hausbesuche mit Schwangerenvorsorge, Wochenbettbetreuung und Kurse, die wir für die Schwangeren geben", erklärt Veronika Kaiser, Beleghebamme am Klinikum. „Außerdem sind wir Hebammen oft Tag und Nacht, sowie am Wochenende und an den Feiertagen per Handy immer erreichbar, wenn eine Frau Sorgen plagen."
Die Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml hatte sich vor kurzem direkt vor Ort in den Kreißsälen des Klinikums bei den Hebammen über deren Situation informiert. Für sie ist der Einsatz von Hebammen und Entbindungspflegern unverzichtbar. Gerade als Mutter wolle sie sich auch künftig für eine langfristige Lösung in der Haftpflichtproblematik einsetzen. „Bayern steht hier an der Seite der Hebammen", betont Huml. Im vergangenen Jahr hatte der Bundestag ein Soforthilfe-Paket beschlossen, womit die Hebammen ab 1. Juli 2014 Vergütungszuschläge zum Ausgleich der damaligen Prämienerhöhung erhalten haben.
Ab 1. Juli 2015 werden Sicherstellungszuschläge gezahlt. „Es müssen jedoch weitere Schritte folgen. Denn Hebammen müssen auch künftig von ihrem Beruf leben können", so Melanie Huml weiter.
Auch das Klinikum hat ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Hebammen. „Die Frauen machen einen hervorragenden Job und wir haben seit Jahren leicht steigende Zahlen bei den Geburten", lobt Geschäftsführer Nicolas von Oppen die Arbeit der Hebammen. Er selbst sieht bei der Problematik die Politik gefordert. Die Leistung einer Geburt werde von den Krankenkassen nicht ausreichend entlohnt. „Wir überlegen uns aber dennoch Möglichkeiten für die Unterstützung unserer zwölf Beleghebammen", so von Oppen. Allerdings sei der rechtliche Spielraum aufgrund der Selbstständigkeit begrenzt.
Eine Festanstellung von Hebammen ist im Übrigen schwer umsetz- und finanzierbar. Angestellte dürfen nur 8 Stunden pro Tag arbeiten. Die Krankenhäuser müssten auf Dreischichtbetrieb umstellen. Abgesehen von der Finanzierbarkeit fehlen dafür in Deutschland auch die Hebammen.
Große Kliniken mit mehreren Tausend Geburten im Jahr, die damit Hebammen anstellen und im Dreischichtbetrieb finanzieren könnten, wechseln aufgrund des Hebammenmangels zunehmend auf das Beleghebammensystem um. Diese Hebammen arbeiten selbstständig und dürfen Zwölfstundenschichten arbeiten.
Im Bild oben: Hebammensprecherin Anita Haslböck (li.), Geschäftsführer Nicolas von Oppen (2.v.l.), Pflegedirektorin Angelika Alke (3.v.l.) und Chefarzt Dr. Ingo Bauerfeind (5.v.l.) zeigen Gesundheitsministerin Melanie Huml (6.v.l.) die Kreißsäle des Klinikums