Landshut (21.04.2017) Zum letzten Mal vor der Sommerpause lädt die Stadtbücherei am Sonntag, 30. April, zu „Mitten ins Herz“ ein. Die Matinee findet um 11 Uhr im Lesecafé in der Stadtbücherei im Salzstadel statt. Sie ist dem großen argentinischen Dichter Jorge Luis Borges gewidmet, der schon zu Lebzeiten zum Klassiker wurde, weit über die Grenzen Südamerikas und des spanischen Sprachraums hinaus wirkte und als einer der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts gilt.
Der Schauspieler und Regisseur Heinz Oliver Karbus liest Gedichte und Prosatexte aus den Werken des berühmten Argentiniers und Martin Kubetz sorgt für den passenden klanglichen Rahmen, in dem die eigens dazu komponierten Stücke die Stimmung der Lesung aufgreifen und fortsetzen.
Jorge Luis Borges wurde am 24. August 1899 in Buenos Aires geboren. Er stammte aus einer wohlhabenden argentinischen Familie. Sein Vater war Rechtsanwalt, Dozent für Philosophie und Psychologie und ein großer Bücherliebhaber, dessen Bibliothek mehrere Tausend Bände umfasste. Schon als Kind streifte Borges durch die Bibliothek des Vaters und las sowohl spanische als auch englische Bücher. Im Elternhaus wurde englisch und spanisch gesprochen, seine Großmutter väterlicherseits stammte aus England und seine Mutter übersetzte englische Literatur.
Jahre später äußerte sich Borges folgendermaßen: „Fragte man mich heute nach dem Hauptereignis in meinem Leben, so würde ich die Bibliothek meines Vaters nennen. Tatsächlich glaube ich manchmal, nie aus dieser Bibliothek herausgefunden zu haben.“
Über den Vater sagte er: „Er war es, der mir die Augen für die Macht der Dichtung öffnete – die Tatsache, dass Wörter nicht nur ein Mittel zur Kommunikation sind, sondern auch magische Symbole und Musik.“
1914 übersiedelte die Familie in die Schweiz. Borges lernte Französisch, Latein und Deutsch. Später studierte er in Spanien, wo er mit zeitgenössischen Dichtern, wie zum Beispiel Juan Ramón Jiménez, in Kontakt kam. Er schloss sich der Avantgarde- Bewegung des Ultraísmo an.
1921 kehrte er nach Buenos Aires zurück, organisierte dort Avantgarde-Aktivitäten und gründete mehrere Zeitschriften. In jener Periode schrieb er vorwiegend Gedichte und Essays.
Ab 1940 verschlechterte sich seine Sehkraft. Inspiriert von Poe und Kafka widmete er sich nun mehr und mehr der phantastischen Literatur. Borges gilt als der Schöpfer des magischen Realismus in der lateinamerikanischen Literatur. Ein Stilmittel in diesem Genre ist die Täuschung, das Spielen mit dem Leser, die Vermischung von Realität und Surrealität.
1944 erschien die erste Ausgabe der „Ficciones“. Während der Zeit arbeitete Borges in einer Bibliothek. Von 1950 an unterrichtete er als Dozent für Englische Literatur und wurde zum Präsidenten des argentinischen Schriftstellerverbandes gewählt. Mit etwa 50 Jahren war er vollständig erblindet, was ihn aber nicht daran hinderte, schriftstellerisch tätig zu sein. Er diktierte seine Texte und gab viele Interviews.
Ab 1955, nach dem Sturz der Regierung Perón, der er sehr kritisch gegenübergestanden hatte, wurde Borges zum Direktor der Nationalbibliothek ernannt. Dieses Amt übte er bis 1974 aus. 1975 veröffentlichte er unter anderem „Die Bibliothek von Babel“, eine Anthologiereihe von 30 Bänden mit phantastischer Literatur.
Übrigens: Die gleichnamige Erzählung „Die Bibliothek von Babel“ inspirierte Umberto Eco zum Bauplan der Klosterbibliothek im Roman „Der Name der Rose“ und die
Figur des blinden Bibliothekars Jorge von Burgos ist eine Reminiszenz an Jorge Luis Borges. Nachdem seine erste Ehe (1967 mit Elsa Astete Millán) nach kurzer Zeit gescheitert war, heiratete Borges mit 86 Jahren, kurz vor seinem Tode, seine langjährige Sekretärin und Reisebegleiterin Maria Kodama. 1985 zog er mit ihr nach Genf, wo der Dichter am 14. Juni 1986 verstarb.
Horst Bienek, der Jorge Luis Borges 1974 in Buenos Aires besuchte, sagte von ihm: „Borges zu lesen, das hält ein wenig die Zeit auf. Was kann man besseres über einen Schriftsteller sagen?“
Genau dies ist auch Intention der Matinee nächsten Sonntag: Die Zeit ein wenig stillstehen und sich wieder einmal „mitten ins Herz“ treffen lassen. Ganz im Sinne des großen Argentiniers erwartet die Zuhörer ein „phantastischer Sonntagvormittag in der Bibliothek“.
Karten für 7 Euro sind ab sofort in der Stadtbücherei im Salzstadel erhältlich oder vorzubestellen
Im Bild
Jorge Luis Borges steht im Mittelpunkt der nächsten „Mitten ins Herz“-Lesung am 30. April mit Schauspieler und Regisseur, Oliver Karbus (rechts), sowie Musiker Martin Kubetz.