(11.11.2016) „Ich war immer mit Leib und Seele Bauer. Heute macht es keinen Spaß mehr.“ Das Eingangsstatement des Milchbauern und Kreisvorsitzenden des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter Landshut, Rudolf Mirlach, macht allen Gesprächsteilnehmern den Ernst der Lage deutlich.
In ihrer Funktion als Mitglied des Landwirtschaftsausschusses im Bundestag traf sich Rita Hagl-Kehl mit ihrer Kollegin aus dem bayerischen Landwirtschaftsausschuss Ruth Müller, MdL auf Mirlachs Hof, um sich während eines Rundgangs über die aktuelle Lage der niederbayerischen Milchbauern zu informieren. Johannes Fritz, beim BDM zuständig für politische Arbeit und Kommunikation, beteiligte sich ebenfalls am Gespräch. - Anm. der Red.: Beim ALDI hat sich seit Wochen der Preis für einen Liter Vollmilch wieder um 50 Prozent auf 1,25 Euro verteuert. Im Tante-Emma-Laden zahlt man für ein kleines Glas Bärenmarke-Milch 1.20 Euro. Wer verdient da so extrem im Zwischenhandel?
Rudolf Mirlach nutzt den Rundgang zur Schilderung der Situation seines Betriebes, welche die aktuelle Lage zahlreicher Milchviehhalter widerspiegelt. Der Milchbauer habe den Hof vor über 25 Jahren übernommen und gleich zu Beginn einige notwendige Modernisierungen und Umbauten vorgenommen. Zwei Jahrzehnte später steht er vor einer schwierigen Entscheidung: In den Neubau von Stallungen und die Modernisierung verschiedener Gerätschaften wie Melkstand und Maschinen zu investieren, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben oder aber den Betrieb ganz aufzugeben? Auch in den letzten beiden Jahren musste Mirlach nicht unerhebliche Gewinneinbußen hinnehmen, was weitere Investitionen nicht einfach macht.
Milchpreis auf Tiefstand
Allein in den letzten drei Jahren ist der Erzeugerpreis für den Liter Milch von 40,2 Cent um fast die Hälfte gefallen und hatte im Juni 2016 einen Tiefstand von 22,9 Cent erreicht. „Um Existenzen zu retten, wäre ein Milchpreis von 50 Cent pro Liter ein angemessenes Ziel“, kommentiert Johannes Fritz diesen Zustand. Alleine in der Gemeinde Bruckberg hätten in den letzten zehn Jahren 12 von 29 Betrieben aufgegeben, erklärt Rudolf Mirlach. Er sieht die Schuld nicht beim Verbraucher, der durchaus bereit wäre „für den Liter Milch mehr zu zahlen. (...) Die Milch wird nur zu einen kleinen Teil als Trinkmilch vermarktet, der größere Teil wird weiter verarbeitet zu Käse, Milchprodukte und Milchpulver“. Den Hauptgrund für den fallenden Milchpreis sieht der Milchbauer dabei in der jahrelang fehlgelaufenen EU-Agrarpolitik. Mit der Erhöhung der betrieblichen Anlieferungsmenge durch die EU (Softlanding) ohne Steigerung des Milchverbrauchs und den Ausstieg aus der Quote, ohne stabilisierende Folgemechanismen zu installieren, wäre der Milchpreisverfall politisch verursacht worden. Hinzu kämen noch der rückläufige Chinaexport und das Russlandembargo.
Regionale Probleme verlangen nach regionalen Lösungen
Mit diesen Existenznöten sehen sich hauptsächlich die bayerischen klein- und mittelständischen Bauern konfrontiert, die einer Übermacht an Großbetrieben in anderen Bundesländern gegenüberstehen. Die Probleme sind also regional vorhanden, daher müssten diese auch regional angegangen werden können, so die beiden BDM-Vertreter, was jedoch aufgrund der EU-weit geltenden Verordnungen bisher nur bedingt funktioniert. „So wird es den Landwirten schwer gemacht, die in langen Jahren bewährte Praxis zu erhalten und gleichzeitig auf ständige technische Neuerungen, die meist nur weitere finanziellen Belastungen bedeuten, zu verzichten“, fasst Ruth Müller die Sachlage zusammen. „Leider wurde der Dringlichkeitsantrag der SPD-Landtagsfraktion, ein wirksames Kriseninstrument vor Auslaufen der Milchquote zu entwickeln, von der CSU Staatsregierung abgelehnt.“
EU-Förderprogramme helfen nur bedingt
Auch die EU-Fördermittel, welche sich auf zwei „Säulen“ verteilen, würden bayerischen Betrieben nur bedingt unter die Arme greifen, sind sich Johannes Fritz und Rudolf Mirlach einig. Die erste Säule besteht dabei aus Direktzahlungen, die den Landwirten – bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen – je Hektar landwirtschaftlicher Fläche gewährt werden. Dadurch erhalten Großbetriebe logischerweise mehr Geld als relativ kleine Familienbetriebe. Die Flächenprämien müssten daher gedeckelt werden, um eine gerechtere Verteilung der Fördergelder zu ermöglichen, fordert Johannes Fritz. Die zweite Säule umfasst Förderprogramme für die nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung und die ländliche Entwicklung – ein Bereich also, für den die niederbayerischen Landwirte prädestiniert seien, so Rita Hagl-Kehl, da die mittelständischen Betriebe diejenigen seien, die auch die Kulturlandschaft pflegten. „Allerdings verfügt die zweite Säule nur über einen geringen Teil des finanziellen Volumens der ersten Säule und ist nicht ausschließlich für die Landwirtschaft vorgesehen, sondern umfasst auch Projekte zur wirtschaftlichen Entwicklung des ländlichen Raums, sowie Dorfentwicklungsprojekte“ gibt die Bundestagsabgeordnete zu bedenken. In Österreich betrüge das Finanzvolumen der zweiten Säule das 1,5-fache der Ersten, so Hagl-Kehl weiter, was beispielsweise dem Erhalt der dortigen Bergbauernhöfe spürbar zugutekomme.
„Unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft braucht dringend die Unterstützung der Politik“, stellt Ruth Müller fest. Bayern habe bundesweit mit einer Durchschnittsgröße von 30 Hektar noch Betriebe, die von Familien geführt werden und diese tragen zum Zusammenhalt in den Dörfern bei. „Immerhin ist in Bayern jeder siebte Arbeitsplatz von der Landwirtschaft abhängig“, gibt Müller zu bedenken.
Bild Kuhstall: v.l. Rudolf Mirlach, Johannes Fritz, MdL Ruth Müller, MdB Rita Hagl-Kehl
Bild Melkstand: v.l. MdL Ruth Müller, Johannes Fritz, MdB Rita Hagl-Kehl, Rudolf Mirlach