In der Falle: Circa 50 "Spaziergänger" riegelte die Polizei vom Hauptzug ab. - Fotos: W. Götz
Landshut – gw (25.01.2022) An noch keinem Montag kamen so viele „Spaziergänger“ wie gestern in die Innenstadt. 2.000 dürften es gewesen sein, die ihren Unmut über Coronaregeln und eine drohende Impfpflicht ausdrückten. Vor dem Rathaus versammelten sich rund 150 zur Gegenkundgebung. Die Polizei reagierte mit einer neuen Taktik. Hinter dem Oberpaur schnitt sie 50 „Spaziergängern“ den Weg ab und nahm deren Personalien auf.
Der Umzug begann wie immer vor dem Ländtor. Dort traf sich kurz vor 18 Uhr eine eher überschaubare Menge von 400 Personen, aus der sich der „Spaziergang“ formierte. Rund 15 Minuten später schwoll deren Zug auf geschätzte 2.000 stumme Protestierende an.
Vom Lädtor aus startete der nicht angemeldete Umzug entlang der Isarpromenade.
Zu Beginn startete die Polizei ihre Durchsagen, wies auf die unangemeldete Kundgebung, die Allgemeinverfügung der Stadt und auf Strafen von 250 Euro bei einer Teilnahme hin. Zudem bat sie, dass sich ein Versammlungsleiter melden solle und bot einen Platz für eine stationäre Veranstaltung an.
Um 18 Uhr begann der Marsch isarabwärts zur Heilig-Geist-Brücke, hinein in die Altstadt, mit einem Schwenk durch die Neustadt wieder zurück in die Altstadt, hinauf zum Dreifaltigkeitsplatz und weiter in die Obere Länd. Dort wurden sie von den Ordnungshütern mit einer Überraschung empfangen.
Der Umzug schreitet durch die Altstadt.
Vor dem Rathaus versammelten sich 150 Bürgerinnen und Bürger zur Gegenkundgebung. Mit dabei die Grünen und die grüne Jugend, die SPD mit den Jusos, Fridays for Future, Mitglieder der Seebrücke und viele mehr. Im Hintergrund wurden auf die Fassade des historischen Gebäude wieder aktuelle Zahlen zum Impfgeschehen in Stadt und Landkreis und der Dank an alle Helferinnen und Helfer in der Pandemie projiziert.
Johannes Hunger, Sprecher der Grünen Jugend, sprach ins Mikrofon, warf den querdenkenden „Spaziergänger“ vor, mit ihrer Versammlung gegen geltendes Recht zu verstoßen und das Versammlungsrecht zu ignorieren. Er kritisierte Querdenker, die wie ein wütender Mob mit Fackeln vor Häusern von Politikern aufmarschieren und sich vor Krankenhäusern versammeln, um Angst und Verwirrung zu stiften. „Einrichtungen der Gesundheitsversorgung dürfen nicht bedroht werden“, so Hunger, zu dieser lauten Minderheit. Kein Verständnis zeigt der Redner für Querdenker, die bei Protesten ihre Kinder als Schutzschild gegen die Polizei verwenden.
Erinnerungsfoto mit Teilnehmer*innen der angemeldeten Kundgebung
Bestürzt musste Johannes Hunger am Montag vor einer Woche feststellen, dass Querdenker weiße Rosen in Erinnerung an Sophie Scholl niederlegten. Sophie Scholl wurde als Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime vor fast 80 Jahren hingerichtet. „Ich kann mein Entsetzen gar nicht in Worte fassen, dass Menschen, die im August 2020 noch versucht haben, den Bundestag, das Zentrum unserer Demokratie, zu stürmen sich gleichsetzen wollen, mit dem Widerstand gegen das NS-Regime. Die Pietätlosigkeit der Querdenken-Bewegung ist unermesslich.“
Ausgetrickst: Bei der Harnischgasse zog die Polizei ihren Jocker und setzte "Spaziergänger" temporär schachmatt.
Während den mahnenden Worten vor dem Rathaus spielten sich nur 350 fußläufige Meter entfernt ganz andere Szenen ab. Die Spitze des Umzugs bewegte sich gerade am Abzweig der Harnischgasse durch die Ober Länd in Richtung Ländtor. Vorne blockierten Polizeibeamte, sie hatten Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen aus Bamberg, den Aufmarsch zwischen dem Oberpaur und dem Etzdorf-Palais der Brauerei Wittmann. Von der Harnischgasse aus, schoben sich weitere Ordnungskräfte zwischen den Zug.
Erst nach dem die Personalien festgestellt waren, durften die "Spaziergänger" den Kessel verlassen.
So waren rund 50 Personen abgeschnitten, konnten weder nach vorne noch zurück. Die Katze war im Sack – exakt um 18.30 Uhr. Mit dieser überraschenden Aktion hatten die „Spaziergänger“ nicht gerechnet. Keiner durfte aus dem Kessel mehr hinaus, keiner mehr rein, da half auch kein Diskutieren oder Gemaule. Was folgte, war Polizeiroutine. Von jedem einzelnen wurden die Personalien festgestellt. Manch einer musste auch eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Um 19.25 Uhr war das Prozedere mit deutscher, bürokratischer Gründlichkeit vorbei. Bußgeldbescheide, Ordnungswidrigkeitsverfahren, bzw. Strafanzeigen werden folgen.
Dicht gedrängt schoppten sich die "Spaziergänger" vor der Gegenkundgebung und dem historischen Rathaus, das klare Botschaften ausstrahlte.
Während dessen fand der stumme Marsch seinen Weg zurück in die Altstadt in Richtung Rathaus, wo Johannes Hunger seine Worte auch an die „Spaziergänger“ richtete: „Ich bin mir sicher, dass einige von Ihnen einfach verunsichert oder mit einzelnen politischen Entscheidungen nicht einverstanden sind. Das kann ich verstehen. Was ich nicht verstehe, dass sie Ihre Meinung und Gefühle kundtun, indem sie mit Leuten mitlaufen, die zu jeder Anstandslosigkeit bereit sind.“
Verbale Techtelmechtel zwischen Teilnehmern des "Spaziergangs" und der Kundgebung.
Vor dem Rathaus stockte der „Spaziergang“ am Ende der Fußgängerzone und etwas darüber hinaus. Teils entwickelten sich zwischen den Teilnehmern des „Spaziergangs“ und der angemeldeten Kundgebung kurze emotionale Wortgefechte, teils freundlich geführte Gespräche auf Augenhöhe. Vereinzelt wurden die Gegendemonstranten mit Worten wie „Nazis“ oder Faschisten“ beschimpft.
Die Polizei musste nicht wirklich einschreiten, kümmerte sich viel mehr um die freie Fahrt der Stadtbusse durch die Menschenmenge. Um 19.30 Uhr begannen sie die Absperrgitter vor dem Rathaus wieder abzubauen. Gleichzeit lösen sich der Spaziergang sowie die angemeldete Kundgebung auf.
Rama dama der Absperrgitter - Die Versammlungen haben sich zerstreut und aufgelöst.
Am gestrigen Montag lag die 7-Tage-Inzidenz in der Stadt Landshut laut Robert-Koch-Institut bei 1.097. Wie Rechtsdirektorin Dr. Kristina Neumaier am vergangenen Freitag im Stadtratsplenum mitteilte waren von 489 gemeldeten Coronafällen 476 auf die Mutation Omikron zurückzuführen. 18 Coronapatienten lagen in den Normalstationen der Krankenhäuser der Stadt, zehn davon ungeimpft. In den Intensivstationen waren es acht Patienten. Vier geimpfte und vier ungeimpfte Patienten. Die Quote der positiven Schnelltests gab sie mit sieben Prozent an.
Dazu der Pressebericht der Polizeiinspektion Landshut
Versammlung und Spaziergänger in der Altstadt
Am gestrigen Montag traf sich gegen 18 Uhr zum wiederholten Male eine größere Menschenansammlung zu einem „Spaziergang“ in der Altstadt von Landshut. Nach derzeitigen Schätzungen waren rund 1.500 Personen unterwegs. Eine Versammlung war bei den Behörden nicht angemeldet worden. Die Polizei war mit einem größeren Polizeiaufgebot vor Ort und sperrte zum Teil die Zugänge in die Altstadt, um große Menschenströme umzuleiten.
Zur gleichen Zeit fand vor dem Rathaus und der Martinskirche eine angemeldete Gegenversammlung durch das Bündnis 90/die Grünen mit rund 120 Personen statt. Diese Kundgebung hat das Thema: „Raum der Vernunft. Solidarität mit Pflegenden, Erkrankten und der sog. kritischen Infrastruktur.“
Die beiden Versammlungen verliefen soweit störungsfrei. Von mehreren „Spaziergängern“ wurden die Personalien festgestellt, da sie gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Landshut, die sich fortbewegende Versammlungen verbietet, verstießen. Gegen sie wurden Ordnungswidrigkeitenanzeigen erstellt.