Auf dem Podium von links: Moderator Dr. Ulrich Kaltenegger, Tilman von Kuepach (LM), Sigi Hagl (Grüne), Dr. Stefan Müller-Kroehling (ÖDP), Alexander Putz (FDP), Dr. Thomas Haslinger (CSU) und Stefan Hemmann (Die Linke/mut-Partei) - Fotos: W. Götz
Landshut – pm (18.02.2020) Klimaschutz, Naturschutz und Mobilität standen im Mittelpunkt der gestrigen Podiumsdiskussion vor gut 200 Gästen im Pfarrsaal von St. Martin. Dr. Ulrich Kaltenegger, 2. Vorsitzender des Bund Naturschutz, stellte die Fragen. Klare Statements gab es beispielweise zur Westtangente oder zu Fahrradstraßen, manchmal eierten die Kandidaten auch um Antworten herum oder sorgten für ein lautes Raunen im Publikum.
Veranstaltet hatte diese Podiumsdiskussion der ADFC, BUND Naturschutz, Fridays for Future, Landesbund für Vogelschutz, landshut natürlich mobil, VCD und der Umweltausschuss der Stadtkirche Landshut, dessen Vorsitzender Rudulf Laimer im Namen von Hausherr Stiftspropst Msgr. Dr. Franz Baur die Besucher begrüßte. Die OB-Kandidatin der SPD, Patricia Steinberger konnte wegen eines privaten Termins nicht teilnehmen.
„Was wir vor Ort für den Klimaschutz tun können“, wollte Dr. Ulrich Kaltenegger von OB Alexander Putz wissen. Der verwies auf „die vielen kleinen Schritte“ die gemacht werden, etwa beim Fernwärmeausbau oder der Umstellung auf LED-Beleuchtung. Zudem sind 28 Prozent Fahrrad- und 10 Prozent ÖPNV-Verkehr ganz gute Zahlen für Landshut.
Dr. Ulrich Kaltenegger fühlte den Kandidaten auf den Zahn.
Sigi Hagl sprach dem Klimaschutz eine Schlüsselfunktion für die Zukunft zu. „Klimaschutz wird derzeit nur stiefmütterlich behandelt“. So sollen alle Beschlüsse im Stadtrat auf Klimafreundlichkeit überprüft werden und Hagl forderte eine Stabsstelle für den Klimaschutz im Rathaus und kritisierte Putz: Er habe das Klimaforum der Stadt abgeschafft. Auch dass Klimaschutzmanagerin Stella Haun bei der Stadt gekündigt hat, „weil ihre Arbeit nicht gewürdigt wurde“ missfiel Sigi Hagl, ebenso wie ein 1.000-Bäumeprogramm keine Chance im Stadtrat hatte.
Die soziale Kompetenz für den Klimaschutz hob Stefan Hemmann heraus und möchte Landshut mit seinem Umland zur mobilen Modellregion umbauen. „Landshut ist mit seinem Wachstum prädestiniert dazu.“ Der ÖPNV sollte Fahrscheinlos und für jedermann finanzierbar ablaufen. Die Stadt benötigt eine bessere Durchlüftung, befand Tilman von Kuepach. In der Stadt herrschen viel höhere Temperaturen als am Land. Dass auf seiner kleinen Landwirtschaft bereits die Aprikosenbäume zu blühen beginnen, findet er „anormal“.
Dr. Thomas Haslinger hält die Behauptung, dass die Stadt für den Klimaschutz und Durchgrünung nichts getan hat, nicht für richtig und hält es für falsch, alles unter den Vorbehalt eines Punktes zu setzen. Vielmehr verwies er auf den Antrag, endlich die Landschaftsschutzgebiete rund um die Stadt auszuweisen.
In Sachen Natur- und Klimaschutz läuft in Landshut vieles besser, als es dargestellt wird: Dr. Thomas Haslinger
„Auf dem Papier sei Landshut gut, aber diese Qualitätsziele sollen auch gelebt werden“, stellte Dr. Stefan Müller-Kroehling (ÖDP) fest. So sei die untere Liebenau ein Negativbeispiel für Durchgrünung. Dass die Platanen vor der ehemaligen Bahn-Post für drei Parkplätze hätte weichen sollen, sei ein Unding. Der Baum bringt eine kostenlose jährliche Kühlleistung von 93.000 kW/h. Überhaupt benötigt die Stadt viel mehr Bäume. So lobte Müller-Kroehling den Landshuter Klimawald.
Weiter ging es mit der Frage, was aus dem städtischen Energie- und Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2010 wurde? Alexander Putz nannte es ein „ehrgeiziges Ziel“ bis 2037 energieautark zu sein. Dazu müssen wir vor Ort Speicherkapazitäten für Energie schaffen, die Fernwärme weiter ausbauen und natürlich Energieeinsparungen vornehmen..
Mit frischem Wind die Temperaturen in der Stadt abkühlen: Timlan von Kuepach
Sigi Hagl, die grundsätzlich nichts gegen Windräder hat, sieht großes Problem in der bayerischen 10H-Regelung. So wünscht sie sich für Wärmesanierungen mehr Fördergelder und will für den Klimaschutz die Mobilität neu denken. Für Passivhäuser nach den höchsten Standards sprach sich Dr. Thomas Haslinger aus. Tilman von Kuepach möchte mehr Information, Aufklärung und Erziehung der Bürger, um mehr CO2 einzusparen.
Auf den ÖDP-Antrag zur solaren Bauleitplanung verwies Dr. Stefan Müller-Kroehling. So werden Häuser optimal für die Sonnennutzung ausgerichtet und auf einen weiteren Antrag der ÖDP, der dafür sorgt, dass vorgeschriebene Baumpflanzungen kontrolliert werden. Das hat der Stadt bereits 1.000 neue Bäume gebracht.
Ob genug Geld für den Klimaschutz ausgegeben wird, hakte Dr. Ulrich Kaltenegger nach. „Es wird zu wenig ausgegeben, antwortete Dr. Thomas Haslinger, meinte aber auch, dass man immer abwägen müsse, wofür der Euro ausgegeben wird. So wird vieles nicht finanzierbar sein. Alexander Putz verwies auf die Dachbegrünung auf neu gebauten Turnhallen oder die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Eisstadions. Das verursacht alles erst mal Kosten, so wie der ÖPNV, mit seinen 4 bis 4,5 Millionen Euro Defizit pro Jahr.
Klimaschutz muss oberste Priorität erhalten: Sigi Hagl
„Wir dürfen den Klimaschutz nicht nach Kassenlage machen, weil uns die Zeit davon rennt“, warnte Sigi Hagl. „Es muss der politische Wille vorhanden sein und hier hat die Stadt eine Schlüsselfunktion.“ Alexander Putz fügte an, dass für das Erreichen des Pariser Klimaschutzabkommens entscheidend ist, was überregional passiert.
„Mann muss es sich leisten können, mehr für den Klimaschutz auszugeben“, plädierte Stefan Hemmann. „Das sind verdammt wichtige Investitionen für die Zukunft, für die es auch Landes- und Bundesmittel benötigt.“ Dr. Stefan Müller-Kroehling stellte klar, dass der Verkehr zu wenig für den Klimaschutz leistet. Er sieht das große Problem im galoppierenden Wachstum der Stadt, das enorm viel Geld verschlingt. Tilman von Kuepach wünscht sich endlich ein Gesamtkonzept für die Stadt, in der auch Bürgerkraftwerke möglich sein sollen.
Auf die Frage, ob die Bäume in der Stadt weniger werden, antwortete Alexander Putz ziemlich ausweichend, „würden wir nicht so viel bauen, würden die Immobilienpreise noch weiter steigen.“ Für Dr. Stefan Müller-Kroehling sind die Baumrodungen auf der Hochfläche des ehemaligen Standortübungsplatzes als Ausgleich für den Kalkmagerrasen im Isartal ein „Irrwitz“. Bäume in der Stadt sind wichtig für Lärm- und Sichtschutz und als Klimakraftwerke.
Nicht alles durch Vorschriften regeln: Stefan Hemmann
Eine Freiflächengestaltungsordung forderte Sigi Hagl ein, um mehr Grün und weniger Kies in die Vorgärten zu bekommen. „Wir müssen Kaltluft- und Grünschneisen neu denken und aufhören, Freiflächen als Parkplätze zu verwenden, den autofreie Quartiere bringen mehr Lebensqualität.“ Stefan Hemmann meint: „Wenn wir schon die Dachziegelfarben vorschreiben können, sollten wir auch schönere Vorgärten hinbekommen.“
Ob es auch Tabuflächen für Bebauungen gibt, lautete Kalteneggers nächste Frage. „Ja, die gibt es, wie im Rosental“, antwortete Tilman von Kuepach, der in der Ochsenau keine Tabuzone sieht. „Grundsätzlich Ja“,meinte Dr. Thomas Haslinger, „aber das ist immer eine Abwägungssache.“ Er möchte sich in Zukunft nicht nur auf Geschosswohnungen beschränken, da sonst junge Familien in ihre Einfamilienhäuser aus der Stadt abwandern. Auch Alexander Putz möchte hier kein generelles Tabu, sondern eine Abwägung.
Für Dr. Stefan Müller-Kroehling stülpt sich ein generelles Tabu über die Ochsenau mit ihrem geschützten Kalkmagerrasen. „Es gibt viele geeignete Äcker zur Bebauung.“ Auch das von der Stadt in Auftrag gegebene Gutachten kommt bisher zu dem Schluss, die Ochsenau nicht zu bebauen. Mit Blick auf das Volksbegehren Artenschutz „sind wir in der Pflicht, schützenswerte Flächen nicht zu bebauen“, so Sigi Hagl und sprach sich dafür aus, endlich die Landschaftsschutzgebiete rund um die Stadt als solche auszuweisen und das Rosental unter Schutz zu stellen.
Im nächsten großen Diskussionsblock ging es um das Thema Verkehr und welche Schwerpunkte die OB-Kandidaten dabei setzen wollen. Dr. Stefan Müller-Kroehling möchte dabei den ÖPNV in das Umland weiterdenken und mit dem Landkreis verknüpfen. Dr. Thomas Haslinger denkt hier mehr an die Infrastruktur, denn auch Busse benötigen Straßen und hält an beiden Umfahrungen für Landshut fest: Der B15 neu und der Westtangente. Im ÖPNV sollten leere Busse überdacht und besser durch Sammeltaxis ersetzt werden.
Alexander Putz sieht die Zukunft in einem Mix verschiedener Mobilitätsangebote und plädiert ebenfalls für weitere Isarquerungen per Straßenneubauten. „Mit Straßen reden wir über Rezepte von gestern“, konterte Dr. Stefan Müller-Kroehling. Er wünscht sich mehr Busse, auch eine neue Trambahn für Landshut und bis zu fünf neue Bahn-Haltepunkte in der Stadt. Eine klare Absage erteilt er der Westtangente, die in etwa das kostet, was Regensburg in den Bau einer neuen Trambahn investiert. Er will den Quell- Zielverkehr auf die Schiene verlagern.
Mehr Vorfahrt für Fahrrad, Bus und Tram: Dr. Stefan Müller-Kroehling
Ein „Hauch von Kopenhagen und Paris“ täte Landshut gut, so Sigi Hagl. Die Dänen favorisieren das Fahrrad und in der französischen Hauptstadt soll das Auto seine Vorrangstellung verlieren. Auch Tilman von Kuepachs vorrangiges Ziel lautet, die Bürger vom Auto aufs Fahrrad und in die Busse zu bringen. Dazu müssen die Fahrradwege ausgebaut werden.
Dr. Ulrich Kaltenegger sprach an, warum im Stadtrat die Ausweisung von Fahrradschnellwegen durch die Nikola-, Papierer- und Schützenstraße mehrheitlich abgelehnt wurden soll. Dr. Thomas Haslinger räumte ein, „dass es suboptimal war gegen Fahrradstraßen zu stimmen“. Grund für seine damalige Ablehnung war die Stellungnahme der Polizei dazu. (Die Polizei schrieb damals: Die Institutionen und Behörden in der Nikola- und Papiererstraße wären dann bei einer Ausweisung einer Fahrradstraße nicht mehr direkt erreichbar. Anm. d. Red.)
Als Haslinger erwähnte, dass Landshut schon sehr fahrradfreundlich sei und im Vergleich zu anderen Deutschen Städten eine Spitzenposition einnimmt, quittierte dies das Publikum mit einem lauten, missfälligen Raunen. Sein oft zitierter Ausspruch „Landshut sei eine Autostadt“, stellt eine Zustandsbeschreibung dar.
Was eine Fahrradstraße zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt anbelangt, sagten Stefan Hemmann, Tilman von Kuepach und Dr. Stefan Müller-Kroehling ein klares „Ja“ dazu, Putz wiederholte seinen Kompromissvorschlag, dies ein Jahr lang auszuprobieren, Sigi Hagl möchte eine Weiterführung durch die Schützenstraße in den Landshuter Osten und Dr. Thomas Haslinger kann sich das erst vorstellen, wenn die Umfahrungen für Landshut fertig gebaut sind.
Ob die Westtangente sein muss, war die nächste Frage von Moderator Dr. Kaltenegger: Stefan Hemmann hält zwar persönlich nicht viel von der Westtangente, fühlt sich aber dem Bürgerentscheid gegenüber verpflichtet. Dr. Thomas Haslinger hält an der grundsätzlichen Notwendigkeit fest und die Weiterführung durch den Landkreis für wichtig.
Steht ganz klar zur Westtangente: Oberbürgermeister Alexander Putz
Für Alexander Putz macht die Westtangente auch dann Sinn, wenn sie an der B11 endet, da das auch zu einer erheblichen Verkehrsminderung in der Luitpoldstraße führt. Naturschutzrechtliche no-go-Argumente sieht er nicht. Dem konnte Dr. Stefan Müller-Kroehling nicht zustimmen, da die Lutdpoldstraße nur um weniger als 10 Prozent entlastet wird und dafür höhere Verkehrsbelastungen an anderen Stellen entstehen. Er will daher eine weiteren Bürgerentscheid initiieren.
„Die Sinnhaftigkeit der Westtangente konnte mit noch nie jemand erklären“, so Sigi Hagl, die dafür plädiert, dass die 3,4 Millionen Euro teuren Planungen sofort eingestellt werden, worauf Dr. Thomas Haslinger hinterfragte: „Wenn man die Westtangentenplanung stoppt, soll dann auch Busse Baby gestoppt werden?“ Tilman von Kuepach sieht Sinn in einer weiteren Isarquerung. Allerdings nicht zu jedem finanziellen Preis oder zum zu hohem Schaden an der Natur.