Sollten die Besucherzahlen von Wahlkampfveranstaltungen ein Omen für den Wahlausgang sein, dann müssten die Freien Wähler im September durchstarten. Während Markus Söder für die CSU vor einer Woche „nur" 70 Zuhörer anzog, versammelten sich am Freitag um Christian Ude (SPD) 150 Besucher. Doch Hubert Aiwanger und Co. hatten am Montag (5.08.) den bisher größten Zuspruch. Gut 300 Politikinteressierte kamen in's schwül, warme Festzelt der Altdorfer Wies'n, um zu hören, was die "Freien" wollen.
Die Freien Wähler fuhren dazu ihre gesamte Politprominenz aus dem Land- und Wahlkreis auf. Darunter Peter Dreier, der sich 2014 um den Chefsessel im Landratsamt bewirbt, Essenbachs Bürgermeister und Bezirkstagskandidat Fritz Wittmann, Christian Hanika, der erst 27jährige Kandidat für den Bundestag aus Bad Abbach, Hans Weinzierl, das kommunalpolitische Urgestein der Feien Wähler aus Rottenburg und den Frontman der Freien Wähler, Fraktions-, Landes- und Bundesvorsitzender Hubert Aiwanger.
Was dann folgte, war eine über zweistündige Abrechnung mit der Politik von Schwarz-Gelb. Die Roten und Grünen wurden nie erwähnt oder gar kritisiert. Daran ist klar zu erkennen, dass die Freien Wähler ihre Stimmen aus dem konservativen Lager schöpfen wollen.
Landratskandidat Peter Dreier stellte klar, dass, anstatt einer Millionen teuren B 15 viel dringender weitere Ortsumfahrungen, wie an der B 299 im Landkreis benötigt werden. Zudem möchte er als Landrat den Informationsaustausch zwischen den Bürgermeistern und Kommunen im Landkreis stark verbessern.
Fritz Wittmann, der sich für den Bezirkstag bewirbt, schoss eine erste Salve auf die CSU ab, da die stärkste Parte ihre Wahlversprechen nicht einhalten kann. Daher baut Wittmann das Internet mit einem Glasfasernetz in seiner Gemeinde auf eigene Rechnung aus. In jedes Haus kommt ein solch extrem schneller Anschluss an das weltweite Netz.
Die Energiewende in Bayern nannte er „dilettantisch, so dass man sich nicht wundern braucht, wenn sie scheitert". Als Freier Wähler versteht sich Wittmann als unabhängiger Fürsprecher für die Bürger. „Wir sind keine Partei mit Personenkult und wir brauchen kein ideologisches Parteiprogramm und keine Partei mit absoluten Mehrheiten, die Redebeiträge anderer degradiert."
Voller Energie präsentierte sich Christian Hanika als Kandidat für den Bundestag. Der 27jährige hat in nur einem Jahr die Mitgliederzahl in seinem Ortsverband Bad Abbach von 100 auf 200 verdoppelt. Hanika, der sich seinen Wahlkampfetat selbst finanziert, watschte die CDU/CSU in Sachen Parteispenden kräftig ab. „Wenn die 100.000 Euro Spenden von Daimler erhalten, dann nenne ich das Korruption", und untermauerte dies mit einem plakativen Beispiel: „Wenn ich mit meinem Freund im Festzelt sitze und zahle ihm die erste Maß, wer zahlt dann die zweite? Hier beginnt die Abhängigkeit!" Hanika forderte ganz klar, Parteispenden auf 20.000 Euro im Jahr zu begrenzen.
Im Bundestag wolle er die verkehrte Welt umdrehen. Besser sei es – wie in der Schweiz – bei strittigen Themen den Bürger per Volksentscheid mitbestimmen zu lassen. Und dass Bürger mit dreistelligen Milliardensummen für die Euro-Schlamperei anderer Länder bürgen müßten, sei ein Unding, während die Renten im eigenen Land gerade mal um 0,25 Prozent erhöht werden. Eine Erhöhung, die von der Bürokratie schon aufgefressen werde. „Für die Rentenerhöhung müsse die Preissteigerung die Grundlage bilden."
Auch der B 15 neu gab der junge Politiker eine Abfuhr. Anstatt dieses Größenwahnprojekt zu verwirklichen, muss diese Milliarde in Ortsumfahrungen investiert werden.
Kampfeslustig gab sich Hubert Aiwanger vom Podium. „Die CSU ist inhaltlich entkernt und muss monatlich ihre Meinung ändern": Beim Donauausbau, bei der Energiewende, bei der Gewerbesteuer, bei der Breitbandversorgung....
Eine Million zahlt Bayern täglich an Zinsen für das Landesbankdebakel. Dieses Geld wäre besser aufgehoben, um die Probleme der kleinen Leute ernst zu nehmen oder in die Bildung zu stecken. Die Freien Wähler wollen wohnortnahe Schulen im ländlichen Raum erhalten, auch wenn nur elf oder zwölf Kinder eine Klasse besuchen und damit die Jugend in ihrer Heimat halten. Und auch nach zehn Jahren G8 sind die Probleme nicht gelöst. „Daher fordern wir die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9", so Aiwanger.
Dass immer mehr Leute aus den ländlichen Bereichen in die Ballungsräume siedeln, hat zur Folge, dass die Mieten in München immer unbezahlbarer werden und anderswo Häuser leer stehen. Das kann und soll so nicht weiter gehen.
Bei den Lebensmittelskandalen der letzten Jahre warf Hubert Aiwanger Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner vor, nichts getan zu haben, außer Gesetze zu verschärfen, die die kleinen Handwerksbetriebe gängeln, anstatt die Schuldigen zu suchen und zu bestrafen. Und eine Freihandelszone mit Amerika lehnt Aiwanger kategorisch ab: „Wir wollen gesundes Fleisch und nicht Hormone aus der Retorte."
In Sachen Verkehr ging der Schlagabtausch weiter gegen die CSU. „Wenn sich Erwin Huber und Co. so für bessere Ortsumgehungen und Schienenanbindungen eingesetzt hätten, wie für den Transrapid, die 3. Starbahn und den Donauausbau, hätten wir heute einige Probleme weniger."
Die 3. Starbahn nannte Aiwanger „unnötig, weil überflüssig". Der Flughafen habe noch Kapazität für zehn Millionen Passagiere im Jahr. Man dürfe nicht alles durch die Flughafenbrille sehen und anstatt noch Frankfurt am Main oder Stuttgart mit dem Flugzeug zu reisen, soll besser die Bahn genutzt werden.
Der Staatsregierung warf Hubert Aiwanger ein ganz klares Mitverschulden an dem verheerenden Donau-Hochwasser im Juni vor, weil die CSU den Ausbau des Hochwasserschutzes seit Jahrzehnten verhindert habe und nur ihre Staustufenpläne verfolgte. Der Hochwasserschutz müsse nun schnell angegangen werden. In den vergangenen zehn Jahren gab es drei Jahrhunderthochwasser und das nächste werde kommen.
Aiwanger will mit den Freien Wählern Bayern weiterentwickeln und den gesunden Menschenverstand in die Politik bringen anstatt Parteibuchpolitik. So auch in Sachen Trinkwasserversorgung, die im kommunaler Hand bleiben muss. „Wasser ist ein Grundrecht und kein Spekulationsobjekt!"
Im gleichen Tenor schoss Hans Weinzierl: „Manfred Weber (Europaabgeordneter der CSU) hatte nichts besseres zu tun, als die Privatisierung von Wasser zu verteidigen, bis die Bürger dies verhindert haben und Weber der nächste Wahltermin im Rücken stand." In den sozialen Pflegebereichen forderte Weinzierl deutlich mehr Personal und strafte eine Äußerung der Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Christine Haderthauer, mit Missachtung, die sagte, dass die gekündigten Teilzeitkräfte einer in Konkurs gegangenen Drogeriemarktkette, die Pflege älterer Menschen übernehmen sollen. Und von einem echten Schuldenabbau sei in Bayern ebenfalls keine Spur. „Niemand zuvor hat trotz solch hoher Steuereinnahmen mehr Schulden angehäuft als Seehofer und Söder. Seit 2008 sind neun Milliarden Schulden dazugekommen", schloss Hans Weinzierl seine Rede.
Die Freien Wähler gaben sich in Altdorf kampfbereit und optimistisch. Denn, wenn ich Bayern von 2.000 Gemeinden 600 einen Bürgermeister der Freien Wähler haben, dann spricht das für gute, ausgewogene und erfolgreiche Politik.