Das vielleicht Erstaunlichste an Lena Stigrot hat mit Volleyball nichts zu tun: Die 18-jährige Rote Raben-Spielerin ist in Bad Tölz geboren, in Lenggries aufgewachsen, lebt seit über vier Jahren in Vilsbiburg – und spricht kein Wort Bayerisch. Wie konnte das passieren? Ganz einfach: Die Eltern sind schuld. Lenas Vater stammt aus der Nähe von Hannover, die Mutter aus Hamburg – und die Stigrots haben sich über all die Jahre in Ober- bzw. Niederbayern ihr Hochdeutsch bewahrt. Dass dies eine reife Leistung ist, die ohne Tapferkeit nicht zu erbringen wäre, daran lässt Lena keinen Zweifel. Ihre Eltern, erzählt sie, leben in Lenggries „neben dem tiefsten Bauernhof". Wenn man auf dem Balkon steht, schaut man direkt die Berge an. Die allermeisten Menschen, die sich in dieser Situation befinden, würden wahrscheinlich intuitiv Bayerisch reden. Nicht so die Stigrots.
Das Interessante an Lena hat mit dem Erstaunlichen zu tun: Sie fühlt sich an mehr Plätzen heimisch als der Durchschnittsmensch, jedenfalls der in ihrem Alter. Ihre eigentliche Heimat ist, klar, Lenggries/Bad Tölz, Vilsbiburg ist via Volleyball zur zweiten Heimat geworden. Und dann gibt es die Stadt, die Lena selbst als „meine dritte Heimat" bezeichnet: Hamburg. Dort war sie als Kind und Jugendliche regelmäßig und ist sie bis heute sehr gern.
Wer will, der könnte aktuell sogar noch eine vierte Heimat definieren. Von Anfang September bis Mitte Oktober absolviert Lena Stigrot in Hannover bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr ihre Grundausbildung. Dort teilt sie eine Vierer-Stube mit der Leichtathletin Gesa Krause sowie einer Boxerin und einer Maritimen Fünfkämpferin. Das hört sich ziemlich spannend an, immerhin umfasst der Maritime Fünfkampf so unterhaltsame Einzeldisziplinen wie Lebensrettungsschwimmen oder Amphibischen Geländelauf. Sei's drum: Auch für Lena Stigrot dauert die Grundausbildung nur sechs Wochen, anschließend wird sie von der Bundeswehr für ein Jahr freigestellt.
In diesem Jahr will sie sich grundsätzlich klar werden, wie ihre Zukunft aussehen soll. Volleyball macht ihr Spaß, sagt sie, viel Spaß sogar. Sport allein ist ihr jedoch vermutlich zu langweilig, „ich brauche auch was für den Kopf", weiß die 1,9er-Abiturientin. Aber ein Medizinstudium zum Beispiel „geht nicht neben dem Volleyball". Da müsste dann wohl eine Entscheidung her.
Sportlich ist eine Menge möglich für die Nr. 14 des Vilsbiburger Teams. Könnte sein, dass ihr der Trainerwechsel bei den Roten Raben einen neuen Schub gibt. „Ich will mich heuer total reinhängen und zeigen, wie aus einem Talent eine richtige Bundesligaspielerin wird", sagt Lena Stigrot.
Wie viel ihr der Volleyball bedeutet, das hat sie erst vor ein paar Tagen wieder gefühlt, sogar in einer passiven Rolle: „Als ich das EM-Finale im Fernsehen angeschaut habe, da hatte ich einfach dieses Kribbeln." Das kann man nur schwer beschreiben, das muss man selber ausleben – am besten als aktive, hoch motivierte Spielerin der Roten Raben, die in der Saison 2013/14 in den Bundesliga-Hallen von Stuttgart bis Dresden und von Münster bis Schwerin ihren ganz persönlichen Karrieresprung schafft.